Mit einer Mischung aus Enttäuschung und Kritik schreibe ich an den VAR, die Technologie, die uns sowohl Klarheit als auch Frustration auf dem Spielfeld gebracht hat. Während die Idee der absoluten Gerechtigkeit durch technologische Mittel verlockend war, hinterlasse ich die brennende Bemerkung: Lieber VAR, es ist Zeit abzudanken.

Ein offener Brief an den VAR

Lieber VAR,

mit einem Seufzer und einer Prise Ärger in den Augen eines jeden begeisterten Fußballfreundes, trete ich heute an Dich heran. Ein Brief an Dich, die Technologie, die dazu bestimmt war, die Wahrheit aus den nebligen Untiefen des Fußballspiels zu ziehen. Ein Werkzeug, das den Schiedsrichtern unter die Arme greifen sollte und jetzt in einem Durcheinander von Kritik und Empörung ertrinkt. Die Idee: Wir machen den Fußball gerechter, sauberer, freier von Skandalen. Keine Hand Gottes mehr, keine Wembley-Tore. Alles klar, alles sauber. Du warst dieses hochtechnologisierte Wunderding, welches uns aus allen unfairen Momenten befreien sollte.

Es war eine scheinbar einfache Aufgabe, die Du übernehmen solltest: Klarheit in umstrittene Situationen bringen, Gerechtigkeit fördern und Fehlentscheidungen eliminieren. Und dennoch, lieber VAR, befindest Du Dich im Auge eines Sturms, inmitten von Verärgerung und Verwirrung.

Nun, Videobeweis, erinnere ich mich an den Tag, als Jürgen Klopp in seiner unnachahmlichen Manier den Kopf schüttelte und mit seinen lebhaften Augen sprach, nachdem eine Deiner Entscheidungen ein Resultat verändert hatte, das so viele aus den Sitzen riss. Wie kann ein System, das Gerechtigkeit schaffen soll, so polarisierend sein und gleichzeitig das nostalgische Herz des traditionellen Fußballs verletzen?

Im Dilemma der Perfektion: Technologie gegen Leidenschaft auf dem Spielfeld

Getty Images

Der menschliche Schiedsrichter, mit all seinen Fehlern und Unzulänglichkeiten, war schon immer ein Teil des Dramas, das sich auf dem grünen Rasen entfaltet. Und ich frage Dich, mein digitales Dilemma, darf Fußball nicht auch irren? Muss jedes Spiel, jede Entscheidung, wirklich bis auf das letzte Pixel perfekt sein? Oder gibt es nicht auch eine Schönheit in der Unvollkommenheit, in der Leidenschaft, die aus den hitzigen Debatten über ein irreguläres Tor oder einen ungerechtfertigten Elfmeter entsteht?

In einer Fußballwelt, in der Entscheidungen in Sekundenbruchteilen getroffen werden, kamst Du, VAR, herein, um eine sekundäre Reflexion, eine zweite Chance für Gerechtigkeit, zu bieten. Doch, wie die Statistiken aufdecken, selbst mit der Einführung dieses digitalen Überprüfers, sind die Entscheidungen nach wie vor mit Subjektivität durchzogen und weit entfernt von der absoluten Gerechtigkeit, die man sich von Dir erträumt hatte.

Videobeweis: Du warst die Antwort auf die Fehler der menschlichen Natur. Doch die Kritik an Dir kocht weiterhin auf. Hier zauderst Du die viel beschworene „zu lange Entscheidungsfindung“, die nicht nur den Spielrhythmus, sondern auch die Spannung und das Mitfiebern des Publikums stört. In Zeiten, in denen alles schnell gehen muss, bittest Du um eine Geduld, die im schnelllebigen, pulsierenden Herz des Fußballs selten zu finden ist.

Und da ist auch der Mangel an Transparenz. Ein Punkt, der Zuschauer im Stadion und vor den Bildschirmen zu Hause gleichermaßen im Dunkeln lässt und den Wunsch nach einer klaren, unmittelbaren Verständlichkeit des Geschehens auf dem Feld auslöst. Ein Ruf, der im Getöse der Stadien und in den Tiefen des Netzes hallt: „Was passiert hier gerade?“, und „Warum?“.

Das technologische Paradox zwischen Fußballromantik und Gerechtigkeitsstreben

Ryan Pierse / Getty Images

In diesem ganzen Getümmel, Videobeweis, fragen wir uns: Hat der Fußball nicht seine größte Stärke – eine einfache, für alle sofort verständliche Sportart zu sein – verloren? Ist der Wunsch nach Perfektion, nach einer fehlerfreien, reinen Umsetzung des Spiels nicht in Wirklichkeit eine Utopie, die die essenzielle menschliche Komponente, mit all ihren Fehlern und Unvollkommenheiten, verkennt?

Doch, lieber VAR, ich blicke auf die Momente, in denen Du Triumphe ermöglicht und Ungerechtigkeiten verhindert hast, und frage mich, ob Du nicht vielleicht nur das Symptom einer größeren, tiefer liegenden Frage in unserer Gesellschaft bist. Du, als technologische Entität, stehst im Mittelpunkt der menschlichen Natur, des Wunsches, das Richtige zu tun, und gleichzeitig der Unfähigkeit, die eigene Fehlbarkeit zu akzeptieren.

Tief eingraviert in das Gedächtnis des Fußballs, vermischst Du, Videobeweis, die historische Leidenschaft für das Spiel mit der modernen Besessenheit von Genauigkeit und Gerechtigkeit. Die Entmystifizierung, die Du im Spiel hervorbringst, wird oft als Angriff auf seine Seele gesehen, auf das Unberechenbare und Magische, das den Sport seit jeher definiert hat.

Du wurdest eingeführt, um Klarheit in die Kontroverse zu bringen, aber lieber VAR, in Deinem digitalen Licht sehen wir immer noch die Schatten der Ambiguität, die den Fußball umspielen. Deine Präsenz hat sicherlich einige Fragen beantwortet, aber auch neue Rätsel aufgeworfen über die Natur des Spiels, seine Zukunft und die Rolle, die Technologie darin spielt.

Ein Plädoyer für den fehlerhaften Zauber des Fußballs

ADRIAN DENNIS/AFP via Getty Images

Nicht, dass ich gegen Technologie im Fußball bin, nein! Aber wenn die Technologie dazu führt, dass die Emotionen, die so sehr Teil dieses wunderbaren Spiels sind, in den Hintergrund treten, dann muss man sich fragen: Was ist der Preis für Gerechtigkeit?

Schließlich, lieber Videobeweis, bleibt eine Frage unausweichlich: Während Du uns mit offenen Armen in eine Ära der Technologie und der vermeintlichen Objektivität führst, vermissen wir vielleicht doch die zerrissenen Netze, die verschossenen Tore, die fieberhaften Diskussionen nach dem Abpfiff und die glorreichen Unsicherheiten, die den Fußball in seiner ursprünglichen Form so unvergleichlich machen?

Aus meiner persönlichen Sicht, lieber VAR, finde ich, dass es an der Zeit ist, dass Du Deinen Hut nimmst, denn meine Liebe zum Fußball war schon vor Deiner Zeit vollkommen, und ich kann nicht behaupten, dass mein Herz für das Spiel durch Deine Präsenz auch nur ein wenig mehr zu schlagen begonnen hat. Dies mag eine gewisse Romantik und vielleicht auch Naivität beinhalten, aber es ist auch ein Plädoyer für einen Fußball, der trotz seiner Fehler und Ungerechtigkeiten einen Raum für Emotionen, Leidenschaft und auch hitzige Diskussionen nach dem Spiel im Pub bietet. Es gibt eine Einfachheit und Direktheit, die im ursprünglichen Spiel steckt, ohne die ständigen Unterbrechungen und die teils kafkaesken Diskussionen über Millimeter-Entscheidungen. Manchmal, so scheint es, hat das Streben nach Perfektion und absoluter Gerechtigkeit den Zauber und die Dynamik, die den Fußball so besonders machen, erstickt.

Mit einem melancholischen Lächeln und einem verweilenden Seufzer.

Geschrieben von Maik Klee // Titelbild: Justin Setterfield / Getty Images