Der Scouser Curtis Jones spielt derzeit bei Liverpool groß auf – seine Leistungen zeigen, warum die Reds an ihm festhalten. Das Ganze im Schatten der Neuzugänge.

Regelmäßig liest man Statistiken, die den Aufschwung eines Teams an einem Spieler festmachen. – „Seit acht Spielen ist Team XY ungeschlagen – in diesen Partien hat Spieler XY ganze zehnmal getroffen.“ So etwas ist sinnbildlich für den Aufschwung einer Mannschaft, vielleicht eines Stürmers. Was aber, wenn der Spieler gar keine Tore macht und einfach auf den Punkt da ist, wenn man ihn braucht?

Klar, Fußball ist ein Teamsport, doch manchmal stehen einzelne Spieler mit ihren Leistungen im Fokus, denn sie tragen mit ihren Leistungen zu einer Stabilität bei, damit andere Spieler erst recht ihre Leistungen voll ausschöpfen können. Ganz still und heimlich entwickelt sich ein fast vergessenes Talent endlich zu dem, was man sich so lange erhofft hat. Curtis Jones macht gerade vieles richtig bei Liverpool und durchlebt die beste Zeit im Trikot der Reds – und das, obwohl andere gerade groß aufspielen.

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Der Liverpool FC ist seit 17 Partien saisonübergreifend in der Premier League ungeschlagen – zwölf dieser Partien gewann man sogar. Jürgen Klopp konnte in einer grauenhaften letzten Saison den Turnaround schaffen und im Moment erschafft er sogar ein „Liverpool 2.0“. Und mittendrin ein vielleicht fast verlorenes Talent, was endlich scheint aufzublühen. Curtis Jones stand in den genannten 17 Partien 14-mal in der Startelf. Vergangene Saison noch neben Jordan Henderson und Fabinho – diese Saison an der Seite von Alexis Mac Allister und Dominik Szoboszlai. Getrieben vom Liverpooler Umbruch im Mittelfeld bleibt Jones – und das mit Recht.

Jones ist wichtiger denn je

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Klopp hat die Rolle von Jones gefunden und was vielleicht noch viel wichtiger ist: Jones hat sich selbst gefunden. Wirkte er in der Vergangenheit bei Spielen oft neben sich, spielt er nun locker auf – fast schon befreit. Er fühlt sich im Mittelfeld wohl, das Experiment linker Flügel sollte vom Tisch sein. Curtis Jones wirkt so, als ob er einen Sprung gemacht hätte – fußballerisch, als auch im Kopf. Er ist nun mehr Profi denn je. Oftmals kommt er durch einfache Dinge ins Spiel, versucht keine besonderen Aktionen zu erzwingen – er setzt die grundlegenden Dinge in Liverpools-System momentan perfekt um.

Beispielhaft eine Szene vom vergangenen Wochenende, als er nach einer Verletzungsunterbrechung zurück aufs Feld kam und nur wenige Augenblicke später nach einem Vollsprint den Ball eroberte. Das ist der Jones, der Anfield zum Beben bringt, das ist der Spieler, den Liverpool braucht, womit sich die Zuschauer identifizieren.

Schaut man sich die letzten Spiele der vergangenen Saison an, hat Liverpool mit Jones genau das bekommen, was sie in dem Moment brauchten. Inmitten einer sportlichen Krise brachte er alle Tugenden auf den Platz, die die Mannschaft damals gebraucht hat: Leidenschaft und Energie. Das setzt er in dieser Saison fort.

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Endlich fit – die größte Baustelle bislang

Hinzu kommt, dass sein Körper endlich keinen Strich mehr durch einen sportlichen Aufschwung macht. Seine letzte schwere Verletzung liegt zwar bis in den September letzten Jahres zurück, immer wieder machten ihm jedoch kleinere Blessuren zu schaffen.

Des Öfteren geriet er so ins Hintertreffen und kam auf kaum Spielzeit. Anders in der Zeit zuletzt. Jones spielte er in der Sommerpause sogar noch im Nationalmannschaftsdress. Gewann mit der U-21 Englands die Europameisterschaft. Im Mittelfeld war er gesetzt, im Finale schoss er das entscheidende 1:0 gegen Spanien. Regeneration hatte er im Sommer also kaum, so war er doch mit dem Team in Österreich und flog später mit nach Singapur. Sein Körper scheint es zu vertragen, die hohe Belastung. Hoffentlich.

Als Kapitän und Aushilfsrechtsverteidiger spielte Jones gegen Leicester City eine starke Partie – kappte, wie es Trent Alexander Arnold macht, oft ins Mittelfeldzentrum, auf seine angestammte Position. Angesprochen auf den Aufschwung Jones’ sprach Pep Lijnders vor der Partie davon, dass er eine besondere „Scouser mentality“ besitze.

Ähnlich wie Trent ist sein Engagement schwer zu beschreiben.“ Beide haben eine ganz besondere „Leidenschaft für das Spiel, den Ball, es gibt nichts anderes in ihrem Leben.“ Zuletzt bestritt Liverpools Eigengewächs das 100. Pflichtspiel für die Profis. Macht er so weiter, werden noch eine Menge dazukommen. 

Geschrieben von Sönke Othersen | Artikelbild: Getty Images