Kommentar | Trotz des jubelnden 3:0-Siegs von Liverpool gegen Aston Villa schwebte die Ungewissheit über Salahs Zukunft wie eine dunkle Wolke über mir.

Spät ist es, und die Ruhe des späten Nachmittags steht im Kontrast zu den brodelnden Emotionen, die mich ausfüllen. Liverpool hat gespielt. Während der rote Sonnenball sich langsam zum Horizont neigt, denke ich über die letzten 90 Minuten nach. Heute war wieder einer dieser Nachmittage, an denen Fußball mehr ist als 22 Menschen, die einem Ball hinterherjagen. Trainer Unai Emery und seine Aston Villa waren zu Gast. Sie hatten ihre Lektion gelernt nach dem desaströsen Auftakt gegen Newcastle und kamen mit der Beute aus zwei Siegen im Gepäck. Die Buchmacher waren sich einig: Hier wird es knallen. Und wie es knallte! In den letzten zwei Spielen verabschiedete sich jeweils ein LFC-Spieler vorzeitig mit einer Roten Karte. Die Vorzeichen deuteten auf Drama, Risiko, eine narrativ aufgeladene Partie, die sich wie ein guter Thriller liest. Es ist nicht nur die Spieltechnik, die mich an Liverpool fasziniert. Es ist diese Eigenschaft, sich immer wieder aus dem Sumpf der Niederlage zu ziehen.

35 Siege nach einem 0:1

Matt McNulty/Getty Images

135 Punkte nach Rückstand unter Jürgen Klopp, 35 Siege nach einem 0:1 – das sind keine Statistiken. Das sind emotionale Berg-und-Tal-Fahrten, die dich in jedem Akt der 90-minütigen Aufführung in ihren Bann ziehen. Und heute? Ein Spiel ohne van Dijk, unser Abwehrchef, dank einer Roten Karte suspendiert. Ein Risiko, sicherlich. Aber Risiko ist das Markenzeichen dieser Mannschaft. Obwohl wir in der ersten Halbzeit einen kassieren, wissen wir, dass wir ein Team der zweiten Hälfte sind. Die Prognosen für eine Rote Karte heute? Nein, das ist nicht unser Fokus. Wir schauen auf das große Ganze, die Saison, in der wir die herben Enttäuschungen des letzten Jahres vergessen machen wollen. Und wir sind gut dabei. Und Aston Villa war keinesfalls zu unterschätzen. Die Männer aus Birmingham haben sich vom katastrophalen Saisonauftakt erholt und waren in beeindruckender Form. Sie wissen, wie man das Netz zappeln lässt. Aber die Anfield Road ist ein Ort, an dem Legenden geboren werden und wo der 12. Mann – die Fans – ein nicht zu unterschätzender Faktor sind. Während ich hier in Dieblich sitze und meine Gedanken ordne, weiß ich, dass die Saison noch jung ist. Aber sie ist voller Versprechen und voller Geschichten, die noch geschrieben werden müssen. Und eines ist sicher: Jeder Akt, jede Szene, jedes Tor wird uns näher bringen – näher an das Gefühl, dass in einer unaufhaltsamen Mannschaft und einer unaufhaltsamen Saison alles möglich ist.

Ein Auftakt gegen die Statistiken

Die Statistiken sagten voraus, dass Villa früh treffen würde, doch wie so oft hatte der Fußball seine eigene, unvorhersehbare Geschichte im Sinn. Man könnte sagen, dass Fußball lediglich ein Spiel ist, eine Aneinanderreihung von Zufällen, gesteuert durch Taktik und Technik. Aber jeder, der an diesem Abend die Leistung von Liverpool gegen Aston Villa gesehen hat, weiß, dass dies mehr war als nur ein Spiel. Im ersten Akt stellte Dominik Szoboszlai klar, dass Liverpool heute die Autoren des Drehbuchs sein würden. Ein Tor in der 3. Minute – und ein Schlag gegen die Statistiken. Und dann kam Matthew Cash und setzte mit seinem Eigentor eine eindrückliche Fußnote unter den missglückten Abend der Villans.

Zwischen Abschied und Heldenstatus

Matt McNulty/Getty Images

Der zweite Akt ist eine Allegorie des Wandels, denn Mohamed Salah trifft und wirft einen Schatten voraus. In der 55. Minute schießt Salah ein Tor, das mir ein Gefühl von Hoffnung und Nostalgie gibt. Ein Wechsel nach Saudi-Arabien steht im Raum, und bei jedem Lauf, jedem Dribbling, jedem Schuss von ihm frage ich mich: Ist das der Abgesang auf eine Ära? Jeder Moment, in dem er den Ball berührt, ist für mich getränkt in einer Mischung aus Hoffnung und Melancholie. Die Auswechslungen in der zweiten Halbzeit ändern wenig am Grundtenor des Spiels, den ich beobachte. Neue Figuren betreten die Bühne, aber die Geschichte bleibt dieselbe. Klopp tauscht Spieler aus, und ich fühle, als ob er ein Künstler ist, der die letzten Striche zu seinem Meisterwerk hinzufügt. Beim Schlusspfiff ist alles gesagt. Liverpool gewinnt mit 3:0. Klar und deutlich könnte man meinen. Aber zwischen den Toren, den Sprints und den Spielzügen spüre ich, dass mehr passiert ist als nur das Resultat eines Fußballspiels. Eine Botschaft wurde gesendet, ein Statement abgegeben. Salahs Tor in der 55. Minute wirkt wie ein Cliffhanger in einem Buch, das ich nicht aus der Hand legen will. Ich wünsche mir, dass die Geschichte weitergeht, auch wenn der Vorhang für heute gefallen ist. In meinem Inneren keimt die Hoffnung, dass die Freudenrufe der Fans nicht nur für diesen Moment, sondern für viele weitere Spiele, mit Salah als Teil des Teams, bestehen bleiben werden.

3:0 – Mehr als ein Ergebnis

Ja, der Ausnahmezustand namens Salah prägt die Spiele und hebt die Massen von den Sitzen, aber die, die da sind, sind die Richtigen. Jürgen Klopp, der gefeierte Architekt des Spiels, weiß das besser als jeder andere. Ein Team ist nicht eine One-Man-Show, es ist ein Organismus, der sich ständig verändert und adaptiert. Salahs möglicher Abgang wäre ein Aderlass, aber es öffnet auch Raum für neue Narrative, für neue Helden. Also, sollten die Spekulationen um Salahs Zukunft wahr werden, dann sei es so. In einer Welt, die sich ständig verändert, bleibt die Faszination für Fußball beständig. Es sind diese Momente, diese Geschichten und diese Emotionen, die uns verbinden und uns immer wieder ins Stadion oder vor den Bildschirm ziehen. Und während Spieler kommen und gehen, bleibt die Essenz des Sports unverändert: die Gemeinschaft, die Spannung, die Freude und manchmal auch die Enttäuschung. In dieser sich ständig wandelnden Landschaft ist Liverpool mehr als nur ein Team, es ist ein Gefühl, ein Teil unserer Identität. Und wie jede gute Geschichte wird auch diese weitergehen – mit oder ohne Salah, mit oder ohne den nächsten großen Sieg. Denn am Ende des Tages ist es die Liebe zum Spiel, die Liebe zu Liverpool, die uns alle antreibt. Und diese Liebe, das verspreche ich euch, wird nie enden.

Geschrieben von Maik Klee // Titelbild von Matt McNulty/Getty Images