Analyse │ Am Sonntag empfängt der Liverpool FC am 30. Spieltag der Premier League den Tabellenführer Arsenal FC. Unsere Gegneranalyse:

Die Gunners sind früher als erwartet zurück im Titelkampf. Nach einigen dürren Jahren wurden das Team zuletzt mit Sinn und Verstand aufgebaut, sodass bereits in dieser Saison die Meisterschaft realistisch ist. Im Winter wurden noch einmal Spieler dazu geholt, die sofort bei dieser Mission helfen sollen.

Arsenal – Erstmals erfahrene Neuzugänge

Nachdem Arsenal in den letzten Jahren vor allem Wert darauf legte, junge und entwicklungsfähige Spieler zu verpflichten, stellte man im Winter das Verhalten um. Grund dafür war vor allem ein finanzieller. Für das verfügbare Budget hätte man wohl nur einen jungen Spieler verpflichten können, der eine Soforthilfe dargestellt hätte. Nun konnte man sich drei brauchbare Spieler angeln.

Außerdem war es den Gunners durchaus wichtig, dass die neuen Spieler die Premier League bereits kennen. Zwei der drei Akteure waren vor ihrer Zeit bei Arsenal bereits jahrelang auf der Insel unterwegs. Als erstes kam Leandro Trossard (28). Der belgische Flügelstürmer wollte von Brighton aus endlich den Schritt zu einem Topteam gehen. Diesem Wunsch verlieh er durch einen Trainingsstreik Nachdruck. Und so gaben die Seagulls ihren bis dato Toptorjäger für knapp 30 Millionen Euro ab.

Da ein zweiter Transfer von Brighton zu Arsenal, nämlich der von Moises Caicedo (21), trotz eines erneuten Streiks des Spielers nicht klappte, da die Seagulls diesmal nicht nachgaben, verpflichtete Arsenal als zweites einen Spieler vom Chelsea FC. Jorginho (31), bei den Blues zuletzt kaum noch eingesetzt, wechselte vom blauen in den roten Teil Londons. Aufgrund eines im Sommer auslaufenden Vertrags kostete der Italiener den Gunners nur elf Millionen Euro.

Der dritte Neuzugang ist eher für die Zukunft eingeplant. Innenverteidiger Jakub Kiwior (23), in der Hinrunde Stammspieler bei Speuia Calcio in der italienischen Serie A, kam für 25 Millionen Euro nach London. Der polnische Nationalspieler ist als Linksfuß aktuell noch der klare Backup von Gabriel Magalhaes (25) und spielt entsprechend kaum. Kommende Saison soll es dann einen offenen Zweikampf um den Startplatz zwischen den beiden geben.

Jorginho und Trossard haben hingegen bereits den gewünschten Einfluss. Vor allem Trossard bringt dem Team eine komplett neue Komponente und steht in elf Spielen bei einem Tor und starken sieben Assists. Auf der Abgansseite finden sich ausschließlich Leihspieler, die bis zum Sommer Spielpraxis sammeln sollen.

Spielerisch stark dank asymmetrischer Abwehr

Kaum eine Mannschaft konnte bisher so oft mit derselben Startelf spielen wie die Gunners. Das ist der krasse Gegenentwurf zum LFC, wo jedes Spiel aufgrund von Verletzungen mehrfach gewechselt werden muss. Entsprechend ist das Team extrem gut eingespielt. Entsprechend ist das Pass- und Positionsspiel bei den Gunners sehr stark. Mit 60,7 % Ballbesitz und einer Passquote von 85,5 % steht man auf Platz 2 bzw. 3 ligaweit. Jeder weiß, wo er zu stehen hat und was er zu tun hat.

Arsenal agiert in einem klaren 4-2-3-1, wobei die Viererabwehrkette asymmetrisch unterwegs ist. Der gelernte Rechtsverteidiger Ben White (24) agiert zunächst aus der Not heraus als Rechtsverteidiger. Doch der Engländer macht das derart gut, dass der etatmäßige Rechtsverteidiger Takehiro Tomiyasu (23) sich seinen Platz auch nach Rückkehr von seiner Verletzung nicht zurückerobern konnte.

White bleibt bei Angriffen großteils defensiv und beteiligt sich am Spielaufbau. Dadurch können sowohl die beiden defensiven Mittelfeldspieler als auch Oleksandr Zinchenko (26) auf der linken Abwehrseite ihre Offensivstärken einsetzen. Zinchenko agiert dabei sehr zentral, wodurch eine Art 3-4-3 mit Raute im Mittelfeld entsteht. Also genau das, wodurch Manchester City im Frühjahr 2021 zu einer unbesiegbaren Siegesmaschine wurde.

Die Läufe in die Tiefe, die bei City zumeist İlkay Gündoğan (31) übernahm, übernimmt bei den Gunners etwas überraschend vorwiegend Granit Xhaka (30). Der Schweizer hat sich aus seinem mentalen und leistungstechnischen Loch vor zwei Jahren inzwischen vollständig heraus gekämpft und spielt diese Saison auf extrem hohem Niveau. Fünf Tore und fünf Vorlagen stehen bereits zu Buche.

Defensiv glänzte in der Hinrunde vor allem William Saliba (22). Der Franzose brauchte keinerlei Eingewöhnungszeit in der Premier League und ist der Hauptgrund, warum White als Rechtsverteidiger agieren kann und dadurch das System derart gut funktionieren kann. In der Rückrunde agiert Saliba hingegen nicht auf dem hohen Niveau der Hinrunde, dafür ist nun Magalhaes nach schwächerer Hinrunde wieder voll auf der Höhe und der bessere Innenverteidiger.

Bereit für den ganz großen Wurf?

Die Gunners sind fast die ganze Saison über Tabellenführer. Entsprechend sind sie inzwischen, obwohl vor der Saison kaum jemand damit gerechnet hat, Favorit auf die Meisterschaft und haben so auch wieder einiges zu verlieren. Kurz sah es im Winter so aus, als wäre der Druck für die junge Mannschaft zu groß, als man gegen Everton (0:1) und Brentford (1:1) nur einen Punkt holen konnte.

Doch danach zeigte sich die Mentalität der Mannschaft. Gegen Aston Villa und Bournemouth sah es jeweils lange Zeit nicht gut aus. Aston Villa führte zweimal (1:0 und 2:1), Bournemouth war gleich mit 2:0 in Front. Jeweils kamen die Gunners zurück und erzielten kurz vor Schluss das 3:2. Die beiden Spiele erinnerten sehr an die Spiele des LFC vor einigen Jahren, als man mehrfach in der Nachspielzeit das Siegtor gemacht hatte.

Und so stehen die Gunners mit inzwischen wieder sechs Siegen in Folge acht Punkte vor Manchester City, die noch ein Nachholspiel haben. Viele Experten vermuten, dass das Spiel in Anfield die Meisterschaft entscheiden wird. Gewinnt Arsenal am Sonntag, dürfte ihnen der Triumph kaum noch zu nehmen sein.

Prognose

Arsenal ist definitiv ein anderer Gegner als in den letzten Jahren. Auch wenn die Gunners individuell vielleicht noch nicht ganz auf LFC-Niveau sind, die Form, das Selbstvertrauen und die Eingespieltheit machen die Partie zu einer auf Augenhöhe. Das kann aber auch durchaus ein Plus für Liverpool sein. Denn in den letzten Jahren verlegte sich Arsenal gegen die Reds sehr aufs mauern und kontern. Wenn Arsenal mitspielt, ergeben sich vor allem auf der rechten Offensivseite Lücken, die man gut nutzen kann. Anfield wird ein weiterer positiver Faktor für die Reds sein gegen die immer noch in diesen Topspielen unerfahrene Gästemannschaft. Defensiv müssen die Reds vor allem auf Trossard achten. Der Belgier hat schließlich in der Hinrunde beim 3:3 gegen Brighton dreifach in Anfield getroffen.

Lukas Heigl / (Photo by ADRIAN DENNIS/AFP via Getty Images)