Als Liverpool 2017 die Verpflichtung von Naby Keïta bekannt gab, war die Aufregung und Überraschung groß. Sie hatten eines der größten Mittelfeld-Talente Europas verpflichtet. Dachte man zumindest…
Naby Keïta wechselte im Sommer 2018 für 52 Millionen Pfund (damals 62 Millionen Euro) von RB Leipzig zum LFC an die Merseyside. Der Transfer sorgte in den Monaten zuvor für Furore. Die Reds konnten den Transfer bereits 2017 bekannt geben und ein damals strahlender Jürgen Klopp sagte gegenüber der Presse: „Ich habe viele Kontakte in Deutschland und ich habe noch nie so viele Glückwünsche erhalten!“
Das Warten sollte sich lohnen. Der damals 22-Jährige war schon als bester Nachwuchsspieler in Europa etabliert. Überaus talentiert und athletisch, unermüdlich im Pressing, einfallsreich beim Pass-Spiel, hervorragend in der Ballgewinnung. Am interessantesten war seine Fähigkeit, an den Spielern vorbeizudribbeln und Tore zu schießen. Ein kompletter, vielseitiger Spieler. So mag es Klopp. So brauchte es damals auch das Team.
Das Herzstück bei Leipzig bekommt die legendäre Nummer 8
„Er ist der beste Spieler der Liga!“, sagte Klopp über Keïta, als er in Deutschland spielte. Kaum einer widersprach. Fußballanalytiker und Fans bestätigten das Lob für die Fähigkeiten des Nationalspielers aus Guinea. Keïta wechselte erst 2016 zum RB Leipzig und war schnell das Herzstück der dynamischen und brillanten jungen Mannschaft von Ralph Hasenhüttl.
Naby Keïta war Teil eines sehr bedeutenden Umbaus beim Liverpool FC. Jürgen Klopp verpflichtete innerhalb von 12 Monaten Mohamed Salah, Andy Robertson, Virgil van Dijk, Alisson Becker und Fabinho. Alles Spieler, die zur stärksten Elf gehörten. Eine bemerkenswerte Transformierung, die größtenteils durch die Verkäufe von Philippe Coutinho, Mamadou Sakho, Danny Ward und Lucas Leiva gedeckt wurden. Keïta sollte neben Alisson und Van Dijk der dritte garantierte Megatransfer sein.
Er war damals der drittteuerste Transfer in der Vereinsgeschichte. Bei seiner Ankunft bekam Keïta die legendäre Nummer 8 persönlich von Steven Gerrard überreicht bekommen. Kein leichtes Erbe. Viel Motivation und eine hohe Erwartungshaltung für das Talent.
Keïta der „Game-Changer“
Nach der Champions-League-Niederlage gegen Real Madrid in Kiew hatten die Reds gemeinsam mit Keïta und den weiteren Neuzugänge eine komplette Vorsaison gemeinsam, um den ersten großen Coup zu planen und zu trainieren.
Die ersten Spieltage waren vielversprechend. Zwei Torbeteiligungen im ersten Spiel gegen West Ham United. Eine weitere hervorragende Leistung gegen Crystal Palace. Der „Game-Changer“ war da! Die Reds gewannen in den Jahren darauf alles, was man gewinnen konnte. Champions League, Premier League, die nationalen Pokale, die Klub-Weltmeisterschaft und den internationalen Super Cup. Keïta war zwar dabei, aber er stand nicht so sehr im Fokus, wie man sich das erhoffte.
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Vier Jahre vorgespult wirkt Keïta alles andere als ein Schnäppchen. Für die Journalisten und vor allem für die Fans fragte man sich in den letzten Jahren immer wieder: „Wird er im Kader stehen?“ Die letzten Monate fragte man sich vornehmlich, ob Keïta tatsächlich jemals wieder im Trikot auflaufen wird.
Seine fünfte Saison bei den Reds startet wie „gewohnt“ mit Verletzungen und Abstinenz. Ein kurzer Einsatz gegen Manchester City im Community Shield und danach erneut Ruhe. Kein Keïta im Spielkader. Naby verletzte sich erneut in der Vorsaison. Er ist zwar jetzt wieder fit und bekam Einsätze, doch die Erwartungen sind geblieben: Wann wird er wieder ausfallen?
Liverpool und Keïta müssen handeln
Zum Sommer läuft der Vertrag aus. Keïta ist es jetzt erlaubt, einen Vertrag mit einem anderen Verein auszuhandeln. Es gab Interesse aus Deutschland und Italien, sowie Frankreich. Liverpool selber hält sich hingegen bedeckt.
Im Juni gab es einige Unruhe. Julian Ward war scheinbar auf Mallorca und traf Björn Bezemer, dem Agenten von Keïta. Die Gespräche sollen „freundschaftlich“ verlaufen sein. Umso erstaunlicher waren die Transfergerüchte zum Ende des Sommers. Keïta soll unzufrieden sein und einen Wechsel anstreben.
Von außen sorgte das für Unmut und Unverständnis. Wie kann ein Spieler, der keine Erwartungen erfüllte, überhaupt noch Ansprüche stellen? Aus den inneren Kreisen in Liverpool wurde die Geschichte allerdings zurückgewiesen. Kurze Zeit später verletzte sich Keïta erneut. Ein Transfer war damit vom Tisch. Aber wie will man in Liverpool weiter mit der Personalie verkehren? Es muss eine Entscheidung her, denn eine großartige Entwicklung ist in den letzten Monaten nicht erkennbar.
Die Reds müssen sich für eine von drei Optionen schnellstmöglich entscheiden. Verkauf, Vertragsverlängerung oder ein ablösefreier Abgang. Eine Vertragsverlängerung scheint eigentlich die Unwahrscheinlichste Option, denn wie könnte ein Verein eine mehrjährige Vertragsverlängerung mit einem Gehalt von ca. 6 Millionen Pfund für einen Spieler rechtfertigen, der vergleichsweise so wenig gespielt und dadurch selten überzeugt hat?
Seit seinem Wechsel spielte Keïta nur 120 Einsätze bis zum Jahresende 2022 von möglichen 310. Die Verletzungsliste ist lang: Leisten- und Knieproblemen, Krankheiten und Muskelbeschwerden. Was mit keiner wirklich los ist, lässt sich aus der Entfernung schwer sagen. Ihm die Schuld zu geben, wäre äußerst unfair. Ganz egal, was das Problem ist, Naby Keïta muss man als Spieler und Mensch unbedingt respektvoll behandeln. Er ist nicht der erste Spieler im Trikot der Reds, dessen Körper sein Talent verhindert hat. Man denke nur an Daniel Sturridge, Jamie Redknapp, Fabio Aurélio oder auch Harry Kewell, um nur einige zu nennen.
Keïta hatte seine Momente. Er spielte regelmäßig in der siegreichen Champions League-Saison, er stand in den Endspielen des FA Cups, des Carabao Cups und der Klub-Weltmeisterschaft in der Startelf und schoss ein paar spektakuläre Tore. Ein Flop wie Mario Balotelli, Lazar Marković oder El Hadji Diouf war er sicherlich nicht.
Keïta hätte sogar zum Held werden können. Im Champions-League-Finale von Paris rollte der Ball an der Strafraumgrenze zu ihm. Sein Schuss verpasste um viele Meter das Tor. Und dieser Moment spiegelte irgendwie seine Karriere wider.
Der traurige Abschied?
Als Fan wünsche ich mir oft, dass es eine alternative Realität gibt, in der Keïta über sich hinauswächst und all die Schwierigkeiten ablegt. Er spielt regelmäßig und wird der fantastische Spieler, der er damals werden sollte. Er nutzt seine Chance, genau wie Alex Oxlade-Chamberlain und trägt das Team mit durch diese schwere Saison. Er bekommt einen neuen Vertrag und holt sich den Ball im Mittelfeld, dribbelt durch die Reihen und schießt seine Tore. Eine Wunschvorstellung, die sich beständig hält. Wie bei fast jedem Spieler. Zumindest für mich als Fan. Denn ich glaube zumindest im Fußball noch an Wunder und viel positive Energie und legendäre Geschichten.
Sollte Klopp weiterhin an ihm festhalten, so wird das seine Gründe haben. Diese müssen Fans vor allem tolerieren und vielleicht auch lernen zu unterstützen. Denn Spieler brauchen in erster Linie die Unterstützung der Fans. Konstruktive Kritik ist zwar angebracht, aber sie wird nichts mehr an der Situation ändern. Bashing sowieso nicht.
Doch wer glaubt aktuell noch daran, dass sich die Story anders erzählen wird? Egal, wie seine Statistiken auf dem Platz sind, dieses Team braucht aktuell körperlich und mental verlässliche Spieler, die das Team mitreißen. Von Spieltag zu Spieltag und über eine komplette Saison hinaus.
Wenn Keïta das Team eventuell bald verlässt, dann wird es eher mit vielen Trophäen und Medaillen sein, aber umso mehr unerfüllte Versprechen. Er wird wahrscheinlich Opfer eines Umbruchs, den er damals selber leiten sollte. Und der Abschied sollte ein Gefühl der Traurigkeit nach sich ziehen, bei vielen Fans. Wer als Fan hier jubelt und erleichtert ist, sollte sich und seine Motive einmal hinterfragen.
Geschrieben von André Völkel // Headerbild: OLI SCARFF/AFP via Getty Images