Analyse │ Am Sonntag geht es für den Liverpool FC am 15. Spieltag der Premier League nach London zu den Tottenham Hotspur. Unsere Gegneranalyse:

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Mit Trainer Antonio Conte (53) konnten die Spurs bereits letzte Saison nach einer kurzen Eingewöhnungsphase ordentlich für Furore sorgen. Am Ende sprang Platz 4 in der Liga heraus. In der ersten vollen Conte-Saison wollten die Londoner ganz oben angreifen. Entsprechend wurde investiert:
Mehr Breite im Kader, aber auch einige Fragezeichen
Insgesamt gaben die Spurs fast 170 Millionen Euro aus. Ein Großteil wurde dabei entweder in Spieler investiert, die bereits leihweise im Kader standen oder direkt wieder verliehen wurden. Bei Innenverteidiger Cristian Romero (24) zog man die 50 Millionen schwere Kaufoption, Linksverteidiger Destiny Udogie (19) wurde nach dem 18-Millionen-Transfer zu Udinese Calcio zurückverliehen.
Zu Beginn des Sommers konzentrierte sich das Board vor allem darauf, preiswerte Spieler zu holen. Der auf den Außenbahnen vielseitig einsetzbare Ivan Perisic (33) kam ablösefrei von Inter Mailand, Ersatzkeeper Fraser Forster (34) kostete bei seinem Wechsel aus Southampton ebenso keine Ablöse. Mit Yves Bissouma (26) konnte man außerdem einen der begehrtesten Mittelfeldspieler für vergleichsweise kleines Geld holen. Der Malier kam aufgrund einer geringen Vertragslaufzeit für knapp 35 Millionen aus Brighton.
Ähnlich begehrt wie Bissouma war Djed Spence (21). Der Rechtsverteidiger hatte in der letzten Saison einen erheblichen Anteil auf Aufstiegs Nottinghams. Da Spence jedoch nur von Middlesbrough geliehen war, konnten ihn die Tricky Trees nicht halten. Und so schlugen die Spurs für knapp 15 Millionen Euro zu. Ob diese beiden Transfers wirklich mit Conte abgesprochen waren, kann inzwischen jedoch etwas angezweifelt werden. Spence bekommt nahezu überhaupt keine Spielzeit, ist nur Rechtsverteidiger Nummer drei.
Und Bissouma wird regelmäßig entgegen seiner eigentlichen Stärken eingesetzt. Es wirkt fast so, als wollte Conte ihn absichtlich schlecht aussehen lassen, um im Winter seinen Wunschspieler für diese Position zu bekommen. Für die Innenverteidigung kam – nach mehreren vergeblichen Versuchen, einen echten Topmann zu verpflichten – schließlich Clement Lenglet (27) per Leihe aus Barcelona.
Königstransfer aus Everton und viele Leihabgänge
Der Königstransfer war sicherlich der von Richarlison (25). Der Brasilianer kam für die stolze Ablöse von 58 Millionen vom Everton FC. Auf der Abgangsseite tat sich ähnlich viel. Einige Spieler, mit denen Conte nichts anfangen konnte, wurden erneut verliehen, da sich niemand fand, der die hohen Gehälter zahlen wollte. Harry Winks (26) ging zu Sampdoria Genua, Giovani Lo Celso (26) erneut zu Villarreal, Sergio Reguilon (25) schloss sich Atletico Madrid an und Tanguy Ndombele (25) dem SSC Neapel.
Die einzige Spienler, mit denen die Spurs Geld einnahmen, waren Steven Bergwijn (24) und Cameron Carter-Vickers (24). Der niederländische Offensivspieler Bergwijn kehrte für solze 31,25 Millionen in seine Heimat zu Ajax Amsterdam zurück, für Innenverteidiger Carter-Vickers zahlte Celtic immerhin sieben Millionen. So kamen die Spurs am Ende des Sommers bei einem Transferminus von 131 Millionen Euro heraus.
Antonio Conte – Wird er endlich sesshaft?
Dass Conte einer der besten Trainer der Welt ist, dürfte unumstritten sein. Zu stark lieferten seine Mannschaften in den letzten zehn Jahren ab, um etwas anderes zu behaupten. Seine erste große Trainerstation war Juventus Turin. Er führte die Mannschaft, die nach dem Zwangsabstieg kurz zuvor noch nicht wieder in der italienischen Elite angekommen war, dorthin zurück, holte zwei Meisterschaften und legte den Grundstein für die folgende nationale Dominanz der alten Dame.
Anschließend übernahm er die italienische Nationalmannschaft. Auch hier zeigte Conte, was in ihm steckte. Eine personell deutlich von der Weltspitze entfernte Mannschaft führte er 2016 nach einem Sieg gegen Spanien (2:0) ins Viertelfinale der EM, in dem man erst im Elfmeterschießen an Deutschland scheiterte (6:7). Trotz des Erfolgs zog es Conte zurück zum Vereinsfußball. In jeweils zwei Jahren im Verein führte er zunächst den Chelsea FC (2016/17), dann Inter Mailand (2020/21) zur Meisterschaft. In Italien brach er somit die neun Jahre andauernde Meisterserie von Juve.
Conte gilt nicht als leichtester Charakter. Er verlangt seinen Spielern alles ab und von seinen Vereinen volle Entscheidungsgewalt in Sachen Kaderplanung. Außerdem benötigt er durchaus große finanzielle Mittel und gilt nicht gerade als Talentförderer. Lieber lässt er Ü30-Spieler spielen, deren Leistungsfähigkeit er kennt. So läuft es auch bei den Spurs. Perisic erhält beispielsweise regelmäßig den Vorzug vor Spence, der bisher noch gar nicht zum Einsatz kommt.
Und obwohl Chairman Daniel Levy (59) diese Art bisher mitträgt ist aktuell alles andere als sicher, dass Conte seinen im Sommer auslaufenden Vertrag bei den Spurs verlängern wird. In den letzten Tagen mehrten sich die Berichte aus England und auch Italien, dass er 2023 zurück zu seiner alten Liebe Juventus Turin kehren könnte. Der ehemalige italienische Serienmeister steckt in einer tiefen sportlichen Krise, Massimiliano Allegri (55) dürfte spätestens nach der Saison nicht mehr Trainer der Alten Dame sein.
Ecken als neue Stärke
Spielerisch sind die Spurs sehr von Dejan Kulusevski (22) abhängig. Der Schwede agiert seit seinem leihweisen Wechsel von Juve im Winter herausragend und bringt dem Team eine ganz andere Ebene. Entsprechend bitter ist es, dass er seit Mitte September mit einer Oberschenkelverletzung ausfällt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Spurs eine der offensivstärksten Mannschaften und hatten entsprechend in sieben Spielen 18 Tore erzielt und 17 Punkte geholt.

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Seither ist man in das alte, abwartende Muster zurück gefallen und offensiv nahezu ausschließlich durch Konter und vor allem Standards gefährlich. Mit wettbewerbsübergreifend inzwischen zwölf Toren nach ruhenden Bällen (nach dem obigen Tweet kam noch ein Eckballtor in der Champions League dazu) ist Tottenham in den Top5-Ligen die beste Mannschaft. Essentiell hierfür ist der im Sommer geholte Techniktrainer Fianni Vio (69), der für das Training der Standardsituationen verantwortlich ist. Aus den letzten sechs Spielen holte man dennoch nur neun Punkte und rutschte aus dem Meisterrennen in den Kampf um die Top4.
Prognose
Da Kulusevski zwar wieder im Kader stehen dürfte, allerdings allenfalls von der Bank aus zum Einsatz kommen sollte, muss sich Liverpool erneut auf einen tief stehenden Gegner einstellen, der auf Konter lauert. Da Richarlison und auch Heung-Min Son (30), der sich in der Champions League am Auge verletzt hat und operiert werden musste, ausfallen, werden die Spurs sehr wahrscheinlich in einem 3-5-2 mit entsprechend massivem Mittelfeld agieren. Bekommen die Reds die Ecken der Hausherren verteidigt, sollte man als Sieger vom Feld gehen können. Ein Plus für den LFC dürfte sein, dass mit Romero der sicherlich beste Abwehrspieler der Spurs nicht zur Verfügung steht.
Lukas Heigl / (Photo by JUSTIN TALLIS/AFP via Getty Images)