Analyse │ Am Sonntag geht es für den Liverpool FC am zehnten Spieltag der Premier League nach London zum Arsenal FC. Unsere Gegneranalyse:

Nach einer für Gunners-Verhältnisse langen Periode der sportlichen Bedeutungslosigkeit baut man im Norden Londons seit Sommer 2021 mit klarem Konzept eine Mannschaft auf, die genug Potenzial hat, um sich zeitnah wieder Titel versprechen zu können. Auch in diesem Sommer baute man weiter mit viel Sinn und Verstand am Kader.

Siegermentalität aus Manchester geholt

Wirklich viel Geld ausgegeben wurde dabei nur für drei Spieler. Der vielseitig einsetzbare Mittelfeldmann Fabio Viera (22) kam für 35 Millionen Euro aus Porto. Oleksandr Zinchenko (25), der ebenfalls ein gelernter Mittelfeldspieler ist, zuletzt von Pep Guardiola (51) aber überwiegend als Linksverteidiger genutzt wurde, kostete ebenfalls 35 Millionen Euro. Der Ukrainer kam von Manchester City.

Der Königstransfer war sicherlich der von Gabriel Jesus (25). Für den brasilianischen Stürmer flossen stolze 52,2 Millionen Euro gen Manchester City. Doch Jesus wurde von Trainer Mikel Arteta (40) als das fehlende Puzzlestück in der Offensive angesehen, folgerichtig war man bereit entsprechend tief in die Taschen zu greifen. Und diese Annahme scheint angesichts von fünf Toren und drei Vorlagen in acht Spielen auch absolut richtig gewesen zu sein.

Dazu verpflichtete man mit Matt Turner (28) einen neuen Ersatzkeeper aus den USA und mit Marquinhos (19) ein weiteres Talent für den offensiven Flügel aus Brasilien. Beide Spieler kosteten zusammen zehn Millionen Euro. Insgesamt investierte man somit 132 Millionen Euro. Ein weiterer extrem wichtiger Quasi-Neuzugang war Leihrückkehrer William Saliba (21). Der Innenverteidiger verbrachte die letzte Saison in seiner französischen Heimat bei Olympique Marseille.

Abgegeben wurden ausschließlich Spieler, die in den Planungen Artetas keine Rolle mehr spielten. Darunter waren durchaus große Namen wie der von Bernd Leno (30, für 3,6 Millionen Euro zu Fulham), Matteo Guendouzi (23, für 11 Millionen Euro nach Marseille), Héctor Bellerín (27, ablösefrei zum FC Barcelona) oder Alexandre Lacazette (31, ablösefrei nach Lyon). Entsprechend konnten die Gunners ihre Gehaltskosten weiter drücken. Daher war die Tatsache, dass Arsenal nur knapp 24 Millionen Euro einnahm, nicht ganz so entscheidend.

Mikel Arteta – Guardiolas Schüler

Bereits 2018 wollten die Gunners Mikel Arteta (40) als Nachfolger von Arsène Wenger (72) holen. Damals wollte er jedoch lieber bei Manchester City bleiben, als Assistent von Pep Guardiola (50). Unter dem Spanier arbeitete Arteta insgesamt dreieinhalb Jahre. Warum man ihn holte, liegt neben seiner Arbeit mit Guardiola auch daran, dass er während seiner aktiven Zeit fünf Jahre bei Arsenal spielte. In dieser Zeit konnte er zweimal den FA Cup und zweimal den Community Shield gewinnen.

Arteta steht für attraktiven Ballbesitzfußball, ist jedoch auch pragmatisch genug, um einzusehen, wenn die eigene Mannschaft qualitativ unterlegen ist. Dann spielen die Gunners sehr defensiv und setzen in erster Linie auf Konter. Es wird spannend sein zu sehen, welche Taktik Arteta gegen Liverpool wählt. In den letzten Jahren spielte Arsenal vor allem auf Konter, inzwischen könnte Arteta seine Mannschaft allerdings weit genug sehen, um auch gegen die Reds das Spiel zu machen.

Spielerisch stark dank asymmetrischer Abwehr

Kaum eine Mannschaft konnte bisher so oft mit derselben Startelf spielen wie die Gunners. Acht Spieler starteten jedes Spiel, lediglich im offensiven Mittelfeld, auf einer der beiden Sechser-Positionen und beim Linksverteidiger gab es ein paar Wechsel aufgrund von Ausfällen. Entsprechend ist das Team extrem gut eingespielt. Entsprechend ist das Pass- und Positionsspiel bei den Gunners sehr stark. Mit 58,6 % Ballbesitz und einer Passquote von 85,9 % steht man auf Platz 3 bzw. 2 ligaweit. Jeder weiß, wo er zu stehen hat und was er zu tun hat.

Arsenal agiert in einem klaren 4-2-3-1, wobei die Viererabwehrkette asymmetrisch unterwegs ist. Der gelernte Rechtsverteidiger Ben White (24) agiert zunächst aus der Not heraus als Rechtsverteidiger. Doch der Engländer macht das derart gut, dass der etatmäßige Rechtsverteidiger Takehiro Tomiyasu (23) sich seinen Platz auch nach Rückkehr von seiner Verletzung nicht zurückerobern konnte.

White bleibt bei Angriffen großteils defensiv und beteiligt sich am Spielaufbau. Dadurch können sowohl die beiden defensiven Mittelfeldspieler als auch Zinchenko auf der linken Abwehrseite ihre Offensivstärken einsetzen. Zinchenko agiert dabei sehr zentral, wodurch eine Art 3-4-3 mit Raute im Mittelfeld entsteht. Also genau das, wodurch Manchester City im Frühjahr 2021 zu einer unbesiegbaren Siegesmaschine wurde.

Eine genaue Analyse des Systems findet ihr hier!

Die Läufe in die Tiefe, die bei City zumeist İlkay Gündoğan (31) übernahm, übernimmt bei den Gunners etwas überraschend vorwiegend Granit Xhaka (30). Der Schweizer hat sich aus seinem mentalen und leistungstechnischen Loch vor zwei Jahren inzwischen vollständig herausgekämpft und spielt diese Saison auf extrem hohem Niveau. Zwei Tore und drei Vorlagen stehen bereits zu Buche.

Defensiv glänzt vor allem Saliba. Der Franzose brauchte keinerlei Eingewöhnungszeit in der Premier League und ist der Hauptgrund, warum White als Rechtsverteidiger agieren kann und dadurch das System derart gut funktionieren kann. Es ist wohl nicht vermessen zu sagen, dass Saliba aktuell der beste Innenverteidiger der gesamten Liga ist.

Das muss er aber auch sein, denn sein Nebenmann Gabriel Magalhaes (24) hat nach zwei starken Jahren aktuell eine schwere Phase. Immer wieder leiten seine Fehler Chancen für den Gegner ein. Magalhaes anzugreifen, scheint für Liverpool also die bessere Idee zu sein.

Bereit für den ganz großen Wurf?

Arsenal hat einen starken Saisonstart hingelegt. Von acht Spielen konnte man sieben gewinnen, nur bei Manchester United gab es eine Niederlage (1:3). Vor allem der Erfolg letzte Woche im Nordlondon-Derby gegen die Tottenham Hotspur (3:1) war durchaus beeindruckend. Und so steht man zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison einen Punkt vor Manchester City auf Platz 1 der Tabelle.

Prognose

Arsenal ist definitiv ein anderer Gegner als in den letzten Jahren. Auch wenn die Gunners individuell vielleicht noch nicht ganz auf LFC-Niveau sind, die Form, das Selbstvertrauen und die Eingespieltheit machen die Partie zu einer auf Augenhöhe. Das kann aber auch durchaus ein Plus für Liverpool sein. Denn in den letzten Jahren verlegte sich Arsenal gegen die Reds sehr aufs mauern und kontern – damit hatte Liverpool vor allem in London regelmäßig Probleme. Wenn Arsenal mitspielt, ergeben sich vor allem auf der rechten Offensivseite Lücken, die man gut nutzen kann.

Lukas Heigl / (Photo by Catherine Ivill/Getty Images)