Am Mittwoch empfängt der Liverpool FC am fünften Spieltag der Premier League Newcastle United. Unsere Gegneranalyse:
Die Magpies waren jahrelang die graue Maus der Liga. Der Fußball war alles andere als ansehnlich, dennoch wurde die Klasse stets recht souverän gehalten. Anfang Oktober jedoch verkaufte der bisherige Besitzer Mike Ashley (57) den Verein an ein saudi-arabisches Konsortium. Damit hat Newcastle nun den reichsten Besitzer der Liga. Trotzdem agiert man bisher auf dem Transfermarkt sehr umsichtig.
Also doch ein wilder Transfer
Nach einer herausragenden Rückrunde 2021/22, in der Newcastle die drittmeisten Punkte der Premier League holte, sahen die Verantwortlichen wenig Handlungsbedarf auf dem Transfermarkt. Lediglich drei Spieler kamen neu in den Norden Englands. Linksverteidiger Matt Targett (26) war bereits in der Rückrunde von Aston Villa geliehen und wurde für 17,5 Millionen Euro fest verpflichtet.
Dazu kamen zwei weitere Verstärkungen für die Defensive. Keeper Nick Pope (30) wechselte für 11,5 Millionen Euro von Absteiger Burnley nach Newcastle. Der englische Nationalkeeper ist seit Jahren einer der besten Schlussmänner der Liga. Vor allem auf der Linie und bei hohen Bällen ist Pope überragend. Seine fußballerischen Limitationen verhindern, dass er für die ganz großen Teams interessant ist.
Für die Innenverteidigung wurde Sven Botman (22) in den Kader geholt. Der Niederländer, der die letzten beiden Jahre bei OSV Lille verbracht hatte und 2020/21 als Stammspieler französischer Meister geworden war, kostete 37 Millionen Euro. Am vergangenen Freitag gaben die Magpies dann nochmal richtig Geld aus. Der schwedische Stürmer Alexander Isak (22) kam für 70 Millionen Euro von Real Sociedad aus Spanien. Viel zu viel Geld für einen Angreifer, der letzte Saison nur sechs Tore erzielt hatte.
Kader ausgedünnt und Gehalt gespart
Auf der Abgangsseite steht kein einziger Spieler, der in den Plänen von Trainer Eddie Howe (44) eine große Rolle gespielt hätte. Insgesamt verließen fünf Spieler den Verein in Richtung Zweitklassigkeit. Ersatzstürmer Dwight Gayle (32) und der dritte Keeper Freddie Woodman (25) wurden fest an die Championship-Vereine Stoke City bzw. Preston North End abgegeben. Einnahmen konnten die beiden kaum generieren. Die Mittelfeldspieler Isaac Hayden (27, Norwich City) und Jeff Hendrick (30, Reading FC) sowie Innenverteidiger Ciaran Clark (32, Sheffield United) verlieh man und spart sich dadurch etwas Gehalt.
Eddie Howe – Mehr als ein kurzfristiger Retter
Anfang November übernahm Howe das Traineramt in Newcastle. In einem Vorort von Bournemouth geboren, spielte Howe in der Jugend und zum Ende seiner aktiven Karriere beim AFC Bournemouth. Knapp 18 Monate nach seinem Karriereende wurde er im Alter von lediglich 31 Jahren Trainer der Cherries. Während seiner ersten Amtszeit konnte er im ersten Jahr in der vierten Liga die Klasse halten, im zweiten Jahr aufsteigen und spielte im dritten Jahr um den Aufstieg in die zweite Liga mit.
Im Januar 2011 folgte er dem Ruf des Geldes und wechselte nach Burnley. Hier wurde Howe allerdings nicht wirklich glücklich und kehrte nach zwei Jahren zurück zu seinem Herzensverein. Diesen konnte er in der Folge immer weiter nach oben führen, starke fünf Jahre hielt Howe den Verein in der Premier League, ehe man in der Saison 2019/20 abstieg.
Howe galt lange Zeit als eines der größten britischen Trainer-Talente. Immer wieder wurde er mit größeren Vereinen in Verbindung gebracht, allen voran mit dem Arsenal FC nach dem Abgang von Arsene Wenger. Er blieb Bournemouth allerdings zu lange treu, sodass er nach dem Abstieg über ein Jahr ohne Job war, da seine Aktien auf dem Trainermarkt immer weiter gesunken sind.
In Newcastle zeigt er erneut, wie talentiert der immer noch junge Trainer ist. Allen Unkenrufen zum Trotz, er wäre nur eine kurzfristige Lösung und die neuen Besitzer würden mit Sicherheit bald einen großen Namen auf der Trainerbank installieren, hat Howe es geschafft, die Mannschaft auf Kurs zu bringen. Aktuell kann man sich schwer vorstellen, dass Howe sich in den kommenden Jahren Sorgen um seinen Job machen muss.
Aggressivität als Trumpf
Unter Howe hat sich die Spielweise der Magpies radikal verändert. Spielte man zuvor sehr abwartend und sehr auf die Defensive ausgerichtet, ist inzwischen vor allem das Mittelfeld sehr proaktiv und aggressiv. Bruno Guimaraes (24) entwickelte sich nach seinem Januar-Wechsel aus Lyon schnell zum erhofften Führungsspieler, dem Vernehmen nach ist bereits Real Madrid am Brasilianer interessiert.
Neben ihm blühen sowohl Joe Willock (23) als auch Joelinton (26) auf. Vor allem Joelintons Entwicklung vom Flop-Stürmer hin zum Top-Mittelfeldmann ist extrem bemerkenswert. Gewinnt man den Ball, landet dieser schnellstmöglich auf den Außenbahnen. Vor allem Linksaußen Allan Saint-Maximin (25) wird gesucht. Der Franzose ist im Tempodribbling herausragend und nimmt es regelmäßig erfolgreich auch mit mehreren Verteidigern auf. Hier muss Liverpool besonders aufpassen, Saint-Maximin nicht ins Tempo kommen zu lassen.
Im Sturmzentrum wird dann Callum Wilson (30) gesucht. Der Engländer ist nur einen verlässlichen Körper davon entfernt, ein Topstürmer in der Premier League zu sein. Bei Newcastle erzielte er seit seiner Ankunft 2020 in 47 Spielen starke 22 Tore. Auch auf den ehemaligen englischen Nationalspieler gilt es zu achten. Er ist für seine 1,80 Meter extrem bullig, schwer vom Ball zu trennen und sehr spielintelligent. Dass Isak am Mittwoch bereits eine Option für die Startelf ist, ist sehr unwahrscheinlich.
Gut in die Saison gestartet
Newcastle konnte ihre starke Form über die Sommerpause retten und ist sehr gut in die neue Saison gestartet. Zum Auftakt gab es einen ungefährdeten 2:0-Erfolg gegen Aufsteiger Nottingham. Am zweiten Spieltag gab es spielerisch einen kleinen Rückschlag. In Brighton konnte die Mannschaft gegen starke Seagulls keinen Stich setzen und musste sich bei Pope bedanken, beim 0:0 den Punkt gerettet zu haben.
Am dritten Spieltag waren die Magpies am bisher wohl besten Spiel der Saison beteiligt. Zu Hause gegen Manchester City ließ man sich von einem frühen Rückstand nicht aus dem Konzept bringen, überrollte die Skyblues zeitweise förmlich, hatte in Phasen 95% Ballbesitz und drehte das Spiel zu einer 3:1-Führung. Am Ende kam City zumindest noch zu einem 3:3, doch das Spiel zeigte, wie stark Newcastle sein kann und dass im Kampf um Europa absolut mit ihnen zu rechnen ist.
Am Sonntag gab es dann noch ein 1:1 in Wolverhampton. Newcastle war die klar überlegene Mannschaft, konnte jedoch nur einmal durch Saint-Maximin treffen. Newcastle steht damit bei sechs Punkten nach vier Spielen und sind noch ungeschlagen.
Prognose
Die Reds müssen sich vor allem im Mittelfeld auf eine sehr aggressive Spielweise der Gäste einstellen. Hier darf man keinesfalls zurückstecken. Was dann nämlich passiert hat Manchester City erlebt. Außerdem wird Trent Alexander-Arnold (23) auf der rechten Abwehrseite einiges an Hilfe benötigen gegen Saint-Maximin. Hier müssen die Mitspieler hellwach sein.
Lukas Heigl / (Photo by Clive Brunskill/Getty Images)