Am Samstag empfängt der Liverpool FC am vierten Spieltag der Premier League den AFC Bournemouth. Unsere Gegneranalyse:
Nach zwei Jahren Zweitklassigkeit sind die Cherries zurück in der höchsten englischen Spielklasse. Seit dem Abstieg hat sich einiges am Kader verändert, im Vergleich zur Abstiegsmannschaft ist man individuell noch einmal schwächer geworden. Das können auch die bisherigen Sommertransfers nicht wirklich ausgleichen.
Es ist wenig Geld da
Lange Zeit gab der Verein aus dem Süden Englands überhaupt kein Geld für Ablösesummen aus. Die ersten beiden Neuzugänge waren ablösefreie Spieler. Rechtsverteidiger Ryan Fredericks (29) kam von West Ham United, bei denen er in den letzten beiden Jahren kaum zu Einsatzzeiten gekommen war und zuletzt nur noch die dritte Wahl auf seiner Position war.
Mit Joe Rothwell (27) kam einer der besten zentralen Mittelfeldspieler der letzten Championship-Saison aus Blackburn. Rothwell ist ein sehr guter Dirigent. In 41 Spielen steuerte er starke zehn Assists bei. Ob der bei Manchester United ausgebildete Engländer das Niveau für die Premier League hat muss sich erst noch zeigen, bisher kam er diese Saison noch nicht zum Einsatz.
Erst Anfang August wurde erstmals eine Ablösesumme an einen anderen Verein bezahlt. Der Verein war der Middlesbrough FC, der Spieler, für den Bournemouth 11,9 Millionen Euro in die Hand nahm ist Marcus Tavernier (23). Der im Mittelfeld vielseitig einsetzbare Spieler gilt seit langem als großes Talent, bekommt nun also endlich die Chance, sich in der Premier League zu beweisen. Bei den Cherries stand der Bruder von Glasgow Rangers Rechtsverteidiger James Tavernier (30) bisher in jedem Spiel in der Startelf.
Der teuerste Neuzugang ist Innenverteidiger Marcos Senesi (25). Den argentinischen Innenverteidiger konnte man für 15 Millionen Euro von Feyenoord Rotterdam loseisen, bei denen er die letzten drei Jahre verbracht hatte. Ansonsten kam noch mit Neto (33) ein neuer Ersatzkeeper, der Brasilianer saß die letzten drei Jahre beim FC Barcelona auf der Bank.
Abgegeben wurde kein sportlich relevanter Spieler. Erwähnenswert ist, dass die Cherries Innenverteidiger Gary Cahill (36) nach einer Saison im Verein keinen neuen Vertrag bekommen hat. Zudem wurde Todd Cantwell (24), der in der vergangenen Rückrunde aus Norwich geliehen war, nicht fest verpflichtet.
Scott Parker – Ein Versprechen für die Zukunft
Der Trainerjob bei den Cherries ist Scott Parkers (41) zweite Trainerstation im Profibereich. Bei den Tottenham Hotspur war der Engländer eine Saison in der U18 tätig, ehe er zum Fulham FC zurückkehrte, bei dem er 2017 seine aktive Karriere beendete. Zunächst arbeitete Parker als Co-Trainer, während der Saison übernahm er nach der Entlassung von Claudio Ranieri (70) den Trainerjob.
Den Abstieg konnte Parker zwar nicht mehr verhindern, doch es war eine positive Entwicklung zu erkennen. Daher durfte Parker weitermachen und führte den Verein direkt zurück in die Premier League. Obwohl es sofort wieder in die Championship runterging, hätten die Fulham-Verantwortlichen gerne mit Parker weitergearbeitet. Doch der Engländer hatte andere Pläne.
Er verlängerte seinen Vertrag nicht und heuerte etwas überraschend in Bournemouth an. Viele Beobachter dachten, Parker bekäme einen Job in der Premier League. Denn im Verlaufe seiner Zeit bei Fulham wurde der junge Übungsleiter immer besser, man sah ihm an, dass er aus jedem Spiel etwas mitnahm. Daher gilt er unter Experten inzwischen als einer der besten englischen Trainer der Liga.
Defensiv stehen und vorne hilft der liebe Gott
Der Ansatz der Cherries ist eigentlich durchaus, auch spielerische Lösungen nach vorne zu finden. Aufgrund des schweren Auftaktprogramms (Arsenal und Manchester City waren unter den ersten drei Gegnern) konnte man das bisher aber kaum zeigen. Bisher steht die Mannschaft mit nur 36,6% Ballbesitz klar auf dem letzten Platz in dieser Statistik, nur Fulham hat neben ihnen unter 40% der Zeit den Ball (38,7%).
Die Passquote hingegen ist mit 77,3% gar nicht mal schlecht, man steht auf Platz zwölf ligaweit. Daran sieht man, dass die Cherries durchaus mit dem Ball umgehen können. Sie sind jedoch klug genug, gegen die Topteams nicht ins offene Messer zu laufen. Entsprechend dürfte Bournemouth auch gegen die Reds kaum die 30%-Marke in Sachen Ballbesitz knacken.
Gefahr strahlt die Mannschaft bisher vor allem bei hohen Bällen aus. Beide bisherigen Saisontore wurden nach Standardsituationen erzielt. Das liegt zum einen daran, dass man im 5-2-2-1-System mit drei kopfballstarken Innenverteidigern spielt, die bei Standards entsprechend aufrücken. Zum anderen ist durch die Verletzung von Stammstürmer und Ex-Red Dominic Solanke (24) Kieffer Moore (30) zum Stammspieler in der Sturmspitze geworden.
Der walisische Nationalspieler, der im Januar aus Cardiff kam, ist mit seinen 1,95 Metern ein hervorragender Kopfballspieler. Ansonsten kann Moore relativ wenig zum Spiel beitragen. Alleine, dass Moore es bis in die Premier League geschafft hat ist eine dieser schönen Geschichten, die der englische Fußball immer wieder schreibt. Vor fünf Jahren spielte er noch in der fünftklassigen National League und traf dort in 17 Spielen nur fünfmal.
2019 enddeckte der walisische Verband den Stürmer, da man händeringend nach einem Spieler für die vorderste Linie suchte, und bürgerte den in England geborenen Moore ein. Seither kam er auf 26 Einsätze für die Drachen, nahm an einer Europameisterschaft teil, qualifizierte sich mit Wales erstmals seit 1958 für eine Weltmeisterschaft und kann sich nun also auch Premier League Spieler nennen.
Das schwere Auftaktprogramm zeigt seine Spuren
Wie bereits angesprochen hatten die Cherries ein extrem schweres Auftaktprogramm. Nach einem eher unerwarteten Sieg am ersten Spieltag zu Hause gegen Aston Villa (2:0) setzte es gegen Manchester City (0:4) und Arsenal (0:3) zwei Pleiten. Doch das ist für Bournemouth nicht so dramatisch. Das von der individuellen Qualität her wohl schwächste Team der Liga muss seine Punkte gegen die direkten Konkurrenten im Abstiegskampf holen, jeder Punkt gegen eine Mannschaft außerhalb des unteren Tabellendrittels ist ein Bonus.
Prognose
Der Druck liegt ganz klar auf Seiten Liverpools. Die Gäste werden sich am eigenen Strafraum einigeln und mit langen Bällen versuchen für Entlastung zu sorgen. Das Spiel dürfte gewisse Ähnlichkeiten zu den Partien in den letzten Jahren gegen den Burnley FC haben. Abzuwarten bleibt, ob Bournemouth mit der vollen Kapelle nach Anfield anreist. In der Premier League gibt es in der kommenden Woche eine englische Woche, Bournemouth spielt bereits am Mittwoch wieder zu Hause gegen Wolverhampton und dann am Samstag in Nottingham. Zwei Spiele, bei denen für die Cherries sicherlich mehr zu holen ist als in Liverpool. Dort ausgeruhtere Spieler zu haben könnte ein Vorteil sein.
Lukas Heigl / (Photo by PHIL NOBLE/POOL/AFP via Getty Images)