Am Samstag zur Mittagszeit geht es für den Liverpool FC am 35. Spieltag der Premier League nach Nordengland zu Newcastle United. Die Gegneranalyse der Redmen Family.

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Die Magpies waren jahrelang die graue Maus der Liga. Der Fußball war alles andere als ansehnlich, dennoch wurde die Klasse stets recht souverän gehalten. Anfang Oktober jedoch verkaufte der bisherige Besitzer Mike Ashley (57) den Verein an ein saudi-arabisches Konsortium. Damit hat Newcastle nun den reichsten Besitzer der Liga. Entsprechend agierte man auch im Wintertransferfenster.
Über den neuen Trainer Eddie Howe (44) haben wir bereits in der Gegneranalyse zur Hinrunde ausführlich gesprochen. Dorthin gelangt ihr hier!
Kurzfristige Verstärkungen für den Klassenerhalt
Da es im Winter gar nicht gut aussah, für den Verein, was den Klassenerhalt angeht, verlegte man sich darauf, erfahrene Sofortlösungen zu verpflichten. Die Neuzugänge hatten entsprechend einen Altersschnitt von 28 Jahren, vier der fünf neuen Spieler waren bereits Premier-League-erfahren. Ab dem kommenden Sommer will man dann das Team für die Zukunft aufbauen.
Der größte Name kam gleichzeitig als Erstes. Rechtsverteidiger Kieran Trippier (31) wurde für 15 Millionen Euro von Atletico Madrid verpflichtet. Der englische Nationalspieler wollte in die Heimat zurückkehren und darf als absoluter Steal bezeichnet werden. Trippier hätte sicherlich auch dem ein oder anderen Teams aus dem oberen Drittel wie Manchester United oder den Tottenham Hotspur gut zu Gesicht gestanden. Am Samstag wird Trippier allerdings aufgrund einer Knöchelverletzung ausfallen.
Anschließend kam es zum wohl größten Aufreger im Januar. Newcastle verpflichtete Mittelstürmer Chris Wood (30) für 30 Millionen Euro vom Burnley FC. Schnell waren die Kritiker zur Stelle, die diesen Transfer als Geldverbrennung bezeichneten und ihn als Beweis dafür anführten, dass Newcastle – entgegen eigener Ankündigungen – eben doch genauso agieren würde wie Manchester City in seiner Anfangszeit und ohne Plan mit viel Geld um sich werfen würde.
Hier muss man allerdings etwas einschränken. Denn zum einen war auf jeden Fall Bedarf im Sturmzentrum, da sich Stammkraft Callum Wilson (30) Ende Dezember gegen Manchester United an der Wade verletzt hatte und bis heute nicht zurückgekehrt ist. Als Ersatz wollte Newcastle – verständlicherweise – einen Spieler, der bereits in der Premier League Erfahrung hat. Und da kaum jemand in Englands höchster Spielklasse einen Stammspieler im Winter abgeben will, musste man auch noch einen Stürmer mit einer Ausstiegsklausel finden. Genau diese hatte Wood, und Newcastle zog sie.
Dreierpack kurz vor Transferschluss
Kurz vor Ende des Transferfensters schlug man dann noch gleich dreimal zu. Linksverteidiger Matt Targett (26) wurde bis zum Saisonende von Aston Villa ausgeliehen, bei denen er durch die Verpflichtung von Lucas Digne (28) im Januar keine Chance auf Spielzeit gehabt hätte. Von Brighton & Hove Albion kam Innenverteidiger Dan Burn (29). Auch bei ihm scheint die Ablösesumme etwas überzogen, 15 Millionen legte Newcastle für den 2,01 Meter großen Engländer auf den Tisch. Doch Burn hat sich in den letzten eineinhalb Jahren zu einem soliden Erstligaverteidiger entwickelt, wodurch der Preis durchaus angemessen ist.
Der einzige Neuzugang, der zuvor nie Premier League gespielt hatte, ist gleichzeitig der jüngste und teuerste. Bruno Guimaraes (24) kam aus Lyon. Dort hatte sich der Brasilianer in den vergangenen beiden Jahren zu einem der besten zentralen Mittelfeldspieler der Ligue 1 entwickelt. Zahlreiche Spitzenteams wie beispielsweise der Arsenal FC waren an ihm interessiert. Entsprechend kostete Guimaraes stolze 42,1 Millionen Euro. Er dürfte der einzige Winterneuzugang sein, der in den langfristigen Planungen des Vereins eine Rolle spielt.
Was bei dem Transferfenster durchaus positiv zu erwähnen ist ist die Tatsache, dass man sich keine „Kaderleichen“ mit Ansage ins Team geholt hat, also Spieler, die zu lange und viel zu gut datierte Verträge erhalten und die diese dann aussitzen. Wood, Trippier und Burn haben allesamt nur bis Sommer 2024 Vertrag, also zweieinhalb Jahre. Dazu ist Trippier mit 7,5 Millionen Euro Jahresgehalt absoluter Topvediener, Wood erhält vier Millionen und Burn sogar nur eine Million.
Joelinton – Vom Flop-Stürmer zum Top-Mittelfeldspieler
Wer erinnert sich nicht an den Transfer von Joelinton (25) nach Newcastle. Nach einer ordentlichen, aber keineswegs überragenden Saison in Hoffenheim legten die Magpies 44 Millionen Euro für den damals 23-jährigen Brasilianer auf den Tisch. Eine unfassbare Summe, die der Stürmer in den nächsten zwei Jahren entsprechend auch nicht im Ansatz rechtfertigen konnte.
Dies hat sich in dieser Saison geändert. Neu-Trainer Howe erkannte etwas in Joelinton, das zuvor offenbar niemand erkannt hatte. Nämlich, dass die große Stärke des gelernten Stürmers die Arbeit gegen den Ball ist. In nahezu allen erweiterten Statistiken, die das Defensivverhalten erfassen (Zweikampfführung, abgefangene Bälle, geblockte Bälle, Klärungen) gehörte Joelinton in Europas Top5-Ligen zum besten Prozent aller Stürmer.
Und so ging Howe einen gewagten Schritt, der sich voll auszahlen sollte: Er beorderte Joelinton ins zentrale Mittelfeld. Dort blüht er seither auf und gehört ligaweit zu den besseren Spielern auf seiner Position. Er ist sogar so stark, dass man sich durchaus vorstellen kann, dass Joelinton auch in einigen Jahren, wenn Newcastle sicherlich zu den besten Teams der Liga gehören wird, ein wichtiger Bestandteil bleibt.
Systemänderung durch Howe

Zunächst spielte Newcastle unter Howe, der im November das Traineramt übernahm, in einem flachen 4-4-2. Dieses war nominell durchaus offensiv ausgerichtet. Die beiden zentralen Mittelfeldspieler waren mit Joe Willock (22) und Kapitän Jonjo Shelvey (29) eher offensiv orientierte Spieler, dazu waren die Flügelstürmer nicht unbedingt für ihre Defensivarbeit bekannt.
Inzwischen hat man nun auf ein 4-3-3 umgestellt. Grund hierfür ist die bereits beschriebene Transformation von Joelinton, der als dritter Mann im zentralen Mittelfeld gesetzt ist. Willock hat zudem in den letzten Wochen seinen Stammplatz an Guimaraes verloren, der inzwischen seine Qualitäten auch in England zeigt.
Offensiv geht auch unter Howe viel über Allan Saint-Maximin (25). Der ehemalige Hannoveraner ist fußballerisch eindeutig der beste Spieler im Kader. Er ist nahezu der einzige Spieler, der aus dem Spiel heraus für Gefahr sorgen kann. Vor allem bei Kontersituationen ist Saint-Maximin durch seine Geschwindigkeit und Wendigkeit sehr schwer zu stoppen. Seine 4,4 erfolgreichen Dribblings pro Spiel sind einsame Spitze ligaweit. Kein anderer Spieler kommt auf mehr als 2,4 erfolgreiche Dribblings.
Starke Rückrunde sichert den vorzeitigen Klassenerhalt
Nach einer unterirdischen Hinrunde mit nur zehn Punkten haben sich die taktische Umstellung von Howe sowie die Investitionen im Januar inzwischen ausgezahlt. Von den bisherigen 15 Rückrundenspielen konnten zehn gewonnen werden, insgesamt holte Newcastle 33 Punkte. In diesem Zeitraum stehen die Magpies auf Platz drei in der Premier League, nur Liverpool (38 Punkte) und Manchester City (36 Punkte) sind leicht besser.
Vor allem defensiv ist man dabei stark. In den 15 Spielen kassierte Newcastle nur 13 Gegentore. Hier macht sich die Umstellung auf drei Mittelfeldspieler sowie die Addition von Burn bemerkbar. Zuletzt konnten drei Spiele in Folge gewonnen werden, unter anderem gegen Europapokal-Aspirant Wolverhampton (1:0) sowie Conference-League-Halbfinalist Leicester (2:1). Entsprechend ist Newcastle bereits jetzt mit 43 Punkten gerettet und schickt sich an, die Saison in der oberen Tabellenhälfte abzuschließen.
Gegen die Big6-Teams der Liga will es jedoch noch nicht so recht klappen. In neun Spielen gegen Chelsea, Manchester City, Manchester United, Arsenal, Tottenham und Liverpool gelang Newcastle nur ein einziger Punkt.
Prognose
Liverpool erwartet also ein extrem schweres Spiel gegen einen defensiv stark organisierten Gegner. Newcastle möchte nicht den Ball (39,3% Ballbesitz, Platz 19), sondern überfallartig umschalten. Hier ist vor allem Trent Alexander-Arnold (23) gefragt, defensiv gut mitzuarbeiten. Saint-Maximin kommt in der Regel über die linke Offensivseite und wird versuchen, den Vorwärtsdrang von Liverpools Rechtsverteidiger immer wieder auszunutzen. Auch Jordan Henderson (31) und Fabinho (28) müssen bereit sein, noch mehr zu helfen als in anderen Spielen. Außerdem hat Newcastle unter Howe eine gewisse Standardstärke entwickelt, 14 ihrer 40 Tore fielen bisher nach ruhenden Bällen.
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Am meisten Chancen wird Liverpool bekommen, wenn man die Innenverteidiger zu Duellen auf dem Boden verwickelt. Burn und auch sein Nebenmann Fabian Schär (30) sind nicht gerade die beweglichsten Innenverteidiger. Dazu sind beide Außenverteidiger nicht gerade die sichersten defensiv, hier sollte man gut bis zur Grundlinie kommen, um von dort am besten halbhohe Flanken zwischen Keeper und Innenverteidiger zu schlagen. Bei solchen Bällen sieht man hier und da noch die fehlende Abstimmung in der Hintermannschaft der Magpies.
Geschrieben von Lukas Heigl | Artikelbild: Mike Hewitt/Getty Images