Die Rivalität der Premier League-Größen Liverpool FC und Manchester United geht weit über dem eines normalen Derbys hinaus.

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Liverpool und Manchester United sind die mit Abstand größten Vereine Englands und leben eine bittere Rivalität untereinander aus. Dabei geht es um viel mehr als nur Fußball, denn die Ursprünge gehen bis in die Anfänge der Industrialisierung in Großbritannien zurück.
Trophäen, rote Karten, wirtschaftliche Abhängigkeit, Katastrophen – Liverpool und Manchester mögen sich aus vielen Gründen nicht. Dabei sind die beiden Städte und deren berühmten Fußballvereine ähnlicher, als es einige wahrhaben wollen. Es ist eine gemeinsame Geschichte über immensen sportlichen Erfolg, aber auch über traurige Katastrophen, bei denen Menschen ihr Leben verloren. Um das alles einzuordnen, drehen wir die Uhr zurück in die Zeit des britischen Empires.
Wirtschaftlicher Wettbewerb während der Industrialisierung
Die geographische Nähe im Nordwesten Englands spielt eine entscheidende Rolle. Manchester liegt nur 55 Kilometer landeinwärts von Liverpool, was sich wirtschaftlich zunächst als signifikanten Nachteil erwies. Während des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Liverpool mit seinem Hafen zum zentralen Umschlagplatz für Waren aus dem britischen Imperium. Manchester war zu dieser Zeit durch die blühende Textilindustrie die britische Industriestadt schlechthin. In den Baumwollspinnereien wurden Textilien für den Weltmarkt hergestellt. 80 Prozent der weltweit produzierten Baumwolle wurde im Nordwesten Englands verarbeitet.
Die Rohstoffe für Manchesters Fabriken mussten zuerst durch Liverpools Baumwollbörsen und den Hafen. Die dadurch generierten Steuereinnahmen trugen zu Aufstieg Liverpools bei. Zu dieser Zeit gab es den Ausspruch „the Liverpool gentlemen and the Manchester man“, welcher ausdrückte, dass Liverpool die überlegene Stadt gewesen sein sollte, weil in Manchester nur „niedrigere“ Arbeit verrichtet wurde.
Zwischen Liverpool und Manchester wurde 1830 die erste Eisenbahnlinie der Welt fertiggestellt, welche zwei Städte miteinander verband. Die Region war das Epizentrum der fortschreitenden Industrialisierung der Welt, nicht zuletzt, weil zu Beginn des 19. Jahrhunderts 40 Prozent des Welthandels über den Liverpooler Hafen abgewickelt wurde. Auch heute noch zeugen prächtige Gebäude aus dieser Zeit vom einstigen Reichtum Liverpools.
Bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhundert blieb der Hafen einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region, bis der Niedergang des britischen Imperiums und das Ende des zweiten Weltkriegs die Handelsrouten veränderten. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts geschah mit der Fertigstellung des Manchester Ship Canal aber etwas, was weitreichende Folgen für beide Städte haben sollte.
Manchester Ship Canal umgeht Liverpooler Hafen
1894 wurde der Kanal fertiggestellt. Kaufleute aus Manchester waren nicht mehr bereit, aus ihrer Sicht exzessive Steuern an den Liverpooler Hafen für den Warenumschlag zu bezahlen. Zudem ist es günstiger, die Waren möglichst lange auf Schiffen zu transportieren. Mit dem Kanal wurde der Fluss Mersey künstlich bis nach Manchester verlängert. Liverpool konnte so umgangen werden, was für Manchester wirtschaftliche Vorteile brachte.
Auf der anderen Seite protestierte Liverpool, weil durch den Hafen viel Geld verdient wurde. Das manifestierte sich dadurch, dass das britische Unterhaus mehrere Anläufe benötigte, den Bau zu genehmigen. Schlussendlich wurde der Manchester Ship Canal trotzdem gebaut, was von vielen Historikern als Beginn der Rivalität zwischen Liverpool und Manchester angesehen wird. In der Folge verloren viele Menschen in Liverpool ihren Job, welche auf die Einnahmen des Hafens angewiesen waren.
Zu dieser Zeit war der englische Fußball noch in den Kinderschuhen. Der Liverpool FC war erst zwei Jahre zuvor gegründet worden und Manchester United hieß noch Newton Heath LYR Football Club, ein kleiner Verein gegründet von Mitarbeitern eines lokalen Eisenbahnbetriebs. Die sportliche Komponente der Rivalität kam erst später.
Man Uniteds Aufstieg durch Matt Busby
Lange nach den wirtschaftlichen Ursprüngen der Rivalität ereignete sich nicht mehr viel Nennenswertes. 1915 erschütterte ein Wettskandal beide Vereine, weil Spieler bei einem Direktduell auf einen 2:0-Sieg für Manchester United wetteten. Das Ereignis ging als „Good Friday-Skandal“ in die Geschichte ein. Die Beteiligten, sowie von Liverpool als auch United, wurden daraufhin gesperrt. Die Umstände rund um den ersten Weltkrieg milderten allerdings nachträglich die Bestrafungen.
Erst in den 50er Jahren begannen sich die sportlichen Ereignisse zu überschlagen. Zunächst konnte Manchester United mit ihrem legendären Manager Matt Busby, der später zum Sir ernannt wurde, große Erfolge feiern. Busby übernahm nach dem Ende des zweiten Weltkriegs 1945 die Red Devils und gewann drei Jahre später den FA Cup sowie in den 50er Jahren drei Meisterschaften. Dabei ist interessant, dass er vor dem Krieg 115 Mal für Liverpool spielte.
1958 kam dann mit dem Flugzeugabsturz von München der große Rückschlag. Bei der Rückkehr von einem Europapokalspiel stürzte das Flugzeug mit den Man United-Spielern kurz nach dem Start in München ab. Das Unglück kostete acht Spielern das Leben und warf die vielversprechende sportliche Entwicklung des Vereins um Jahre zurück. Busby überlebte und übernahm nach seiner Genesung wieder die sportliche Leitung. Der vorläufige Höhepunkt nach langer Aufbauarbeit kam mit dem Gewinn des Europapokals der Landesmeister 1968. Es war das erste Mal, dass ein englischer Verein diesen Wettbewerb gewinnen konnte. Spieler wie George Best prägten Busbys Erfolge.
Traurigerweise wird die Katastrophe um den Flugzeugabsturz vor 63 Jahren auch heute noch von rivalisierenden Fans dazu missbraucht, um sich über Manchester United lustig zu machen. Auch die Liverpool-Fans waren diesbezüglich in der Vergangenheit nicht immer unschuldig. Die Hillsborough-Katastrophe von 1989 sollte noch mehr Kontext in die Geschichte der beiden Vereine bringen. Hillsborough wird von einigen anderen Fans dazu missbraucht, sich über Liverpool lustig zu machen. Auf beide Richtungen ist das allerdings absolut unangebracht und hat nichts mehr mit der Rivalität zu tun.
Bill Shankly holt Liverpool aus der zweiten Liga an die Spitze
Liverpool war in der Zwischenzeit nicht untätig und begann die Grundsteine für eine unübertroffene Dominanz zu legen. Auf dem Spielfeld wurde das weitergeführt, was während der Industrialisierung begonnen hatte.
Die Reds, die Ende der 50er Jahre noch nicht einmal ganz in rot spielten, dümpelten in der zweiten englischen Liga umher. Anfield war in einem schlechten Zustand und um das Trainingsgelände sah es nicht besser aus. Der Schotte Bill Shankly wurde 1959 als neuer Manager ernannt und erkannte sogleich das Potenzial hinter Liverpool. Wie er selbst sagte, waren die Scousers „seine Art Leute“ und diese Affinität wurde auch erwidert. Unter seiner Führung stieg Liverpool bereits 1962 in die First Divison auf und nur zwei Jahre späte konnte der erste Meistertitel seit 17 Jahren gefeiert werden.
Dies war der Anfang einer unglaublichen Erfolgsgeschichte. Shankly legte den Grundstein des immensen Erfolgs, welcher Liverpool in den nachfolgenden Jahren genießen würde. Bis 1990 gewann der LFC 13 Meisterschaften sowie vier Europapokale der Landesmeister, daneben noch mehrere nationale Pokale sowie den UEFA Cup. Liverpool war mit Spielern wie Kenny Dalglish, Ian St John, John Barnes oder Ian Rush das Maß aller Dinge
In Manchester lief es derweil nicht rosig. Die 70er und 80er Jahre waren kein gutes Jahrzehnt für United, 1974 stieg man sogar in die zweite Liga ab. Liverpool gewann alles, während United zwischendurch zwar auch Titel holte, aber niemals in dem Ausmaß wie Liverpool. Die Heysel-Katastrophe von 1985 und die daraus resultierende sechsjährige Sperre für Liverpool im Europapokal war wohl der einzige Grund, weshalb die Reds nicht noch mehr internationale Titel auf dem Konto haben.
Die Rivalität auf dem Feld sowie auf den Tribünen wurde immer größer. Neid über die Erfolge des anderen führten zu extrem hitzigen Spielen und auch immer wieder Gewalt auf den Rängen. Die 80er Jahre in England mit dem Hooliganismus-Problem und sozialen Unruhen im Norden des Landes waren der perfekte Nährboden für eine Eskalation. 1986 schoss ein Liverpool-Anhänger bei einem Heimspiel Tränengas auf den United-Spielerbus und verletzte dabei einen United-Spieler. Bei dieser Aktion kamen allerdings vor allem Liverpool-Fans zu Schaden, die in der Nähe standen. Zahlreiche ähnliche Zwischenfälle waren der Vorläufige Höhepunkt der Rivalität.
Neben dem sportlichen Aspekt konkurrierten die Fans auf den Tribünen um die neuesten Mode. Die Casual Culture war auf dem Höhepunkt. Vor allem die Liverpool-Fans brachten von ihren Reisen im Europapokal unbekannte Kleidungsstücke zurück nach England und zeigten diese offen an den Spieltagen. Arbeiterkinder liefen plötzlich mit Designerklamotten durch die Gegend. Manchester hielt mit ihrer Version der Subkultur dagegen. Casual wird heute vor allem mit Gewalt an Fußballspielen assoziiert, bei weitem nicht alle Casuals waren aber gewalttätig.
Gegen Ende der 80er wurde derweil offensichtlich, dass sich in naher Zukunft im englischen Fußball vieles verändern würde. Die Hillsborough-Katastrophe, bei der 97 unschuldige Liverpool-Fans ihr Leben verloren, läutete das Ende der Stehplätze ein und den Beginn der Premier League. Immer noch gelähmt von den traumatisierenden Ereignissen von Hillsborough verpasste Liverpool in den 90er Jahren die Modernisierung des Fußballs und fiel weit hinter die Konkurrenz aus Manchester zurück. Den Beginn von Uniteds Aufstieg wurde allerdings schon 1986 besiegelt, als ein gewisser Schotte den Managerjob übernahm.
„Knocking Liverpool right off their fucking perch“
1986 geschah etwas, was die Rivalität sehr lange prägen würde. Alex Ferguson wurde zum United-Manager ernannt und dominierte in den 90er und 2000er Jahren den englischen Fußball. 1999 sowie 2008 gewann Man United unter seiner Führung die Champions League. 13 Meisterschaften später haben die Red Devils die Reds überholt und sind mit 20 Titeln Rekordmeister. 2002 sagte Ferguson in einem Interview, dass es sein größter Erfolg gewesen sei, Liverpool von ihrem verdammten Thron zu stoßen und dass man das so drucken könne. Ob er Liverpool wirklich jemals vom Thron stieß, ist zweifelhaft. Die Reds haben deutlich mehr europäische Titel als United und gewannen 2005 inmitten der Dominanz von Man United das wohl legendärste Endspiel der Champions League-Geschichte.
Als 2013 Ferguson zurücktrat, ahnten bereits viele, dass es wohl nicht mehr so weitergehen wird. Genau das trat auch ein, denn seit Fergusons letzter Saison konnte United nie mehr die Premier League gewinnen und kam auch in der Champions League nie über das Viertelfinale hinaus. Unterdessen ist es Liverpool, die wieder mehr Titel anhäufen. Jürgen Klopp transformierte in den letzten Jahren Zweifler zu Überzeugten und lieferte den sechsten Champions League-Titel sowie die 19. Meisterschaft. Somit sind die Reds nur noch eine Meisterschaft von Uniteds Rekord entfernt, im Europapokal kann sowieso kein englischer Verein Liverpool annähernd das Wasser reichen.
An den Spielern ging diese Rivalität natürlich nicht spurlos vorbei. In den Nullerjahren saßen in der englischen Nationalmannschaft die Liverpool und United-Spieler niemals am gleichen Tisch. Die Spannungen untereinander führten dazu, dass sie sich außerhalb des Spielfeldes aus dem Weg gingen. Heute im Social Media Zeitalter hat die die Lage diesbezüglich mehr entspannt. Im englischen Fernsehen wird die Rivalität zwischen den ehemaligen Spielern Jamie Carragher und Gary Neville für Unterhaltungszwecke genutzt. Die besten Freunde werden Liverpool und United-Spieler wohl nie werden.
Mehr Ähnlichkeiten als oberflächlich sichtbar
So sehr wie sich die beiden Fanlager über Niederlagen des anderen Vereins freuen und sich an Spieltagen nicht ausstehen können, haben Liverpool und Manchester dennoch viele Gemeinsamkeiten. Die industrielle Vergangenheit, welche bis heute nachwirkt, spielt dabei eine zentrale Rolle. Politisch stehen sie sich als Arbeiterstädte auch nahe und mussten vor allem in den 80er Jahren vieles durchstehen. Das kulturelle Erbe mit Bands wie den Beatles aus Liverpool oder Oasis aus Manchester verbindet beide Städte. Egal von wo der M62 man herkommt, beide Seiten anerkennen die fantastischen Bands der anderen Stadt an.
Schlussendlich ist es irrelevant, welche anderen Vereine wie viel Geld haben und sich aus dem nichts Erfolg kaufen können. Liverpool gegen Manchester United ist schon sehr lange das größte Spiel Englands und wird es auch bleiben. Keine andere Partie spielt im Mutterland des Fußballs in der gleichen Gewichtsklasse.
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