Am 28. April 1990 gewann der Liverpool FC zum 18. Mal die englische Meisterschaft. Niemand ahnte, dass dies vorerst der letzte Titel sein sollte.
Am 28. April jährt sich der 18. Gewinn der englischen Meisterschaft zum 31. Mal. Niemand ahnte damals, dass es das Ende einer Ära einläuten würde und dass die Reds erst 2020 die nächste Meisterschaft feiern würde. In den 80er Jahren gewann Liverpool so ziemlich alles, was es zu gewinnen gab. Die großen Erfolge der Trainer Bob Paisley und Joe Fagan setzte Kenny Dalglish auf der Trainerbank fort. Es war nicht eine Frage ob Liverpool einen Titel gewinnt, sondern wann.
Zweikampf zwischen Liverpool und Aston Villa
So war es auch in der Saison 1989/90. Im Jahr zuvor konnte Arsenal nur dank eines spektakulären Last-Minute Showdowns an der Anfield Road den Reds den Titel entreißen. Die Mission für Dalglish und seine Mannschaft war klar: So etwas sollte nicht nochmal geschehen. Die Gunners sollten diesmal nicht der große Titelrivale sein, sondern Aston Villa, das Traditionsteam aus Birmingham.
Für den Liverpool FC verlief die Saison eher unspektakulär, dafür waren sie aber trotzdem dominant. Bis Ende April verloren die Reds bloß fünf Ligaspiele und standen drei Spiele vor Saisonende mit zwei Punkten Vorsprung vor Aston Villa an der Spitze der Tabelle. Villa hatte ein Spiel mehr auf dem Konto und musste am 28. April zu Hause gegen Norwich City gewinnen. Zeitgleich empfingen die Reds die Queens Park Rangers an der Anfield Road.

Nach dem Ausscheiden aus dem League Cup und dem FA Cup war der Gewinn der Meisterschaft Pflicht für den Liverpool FC. Aufgrund der internationalen Sperre, die der Verein nach dem Heysel-Desaster 1985 verhängt bekam, gab es auch keinen Europapokal für die Reds zu gewinnen. Dennoch strotzte Dalglishs Kader vor internationalen Größen wie Bruce Grobbelaar, Alan Hansen, Ian Rush und John Barnes, die heute zu den großen Legenden des Vereins zählen.
Showdown gegen QPR – Villa patzt gegen Norwich
Ein Dreier gegen QPR war aber selbst für diesen erfahrenen Kader keine Selbstverständlichkeit. Roy Wegerle brachte die Gäste aus London nach nur 14 Minuten in Führung. Glücklicherweise konnte Rush noch vor der Halbzeit den Ausgleich erzielen. Während der Pause stieg auf den Rängen die Vorfreude auf eine mögliche Meisterfeier, denn Verfolger Aston Villa lag zur Pause mit 0:1 gegen Norwich City hinten. Nachdem Barnes vom Elfmeterpunkt aus Liverpool in Führung gebracht hatte, waren die knapp 38.000 Zuschauer in Anfield bereit zum Feiern.
Nach dem Schlusspfiff fingen die ersten Spieler an zu zelebrieren, doch ohne das Internet dauerte es eine Weile, bis der Spielstand im Villa Park auch Liverpool erreichte. Im zweiten Durchgang gab Villa eine 3:1-Führung aus der Hand und spielte am Ende nur 3:3-Unentschieden gegen die Canaries aus Norwich. Mit vier Punkten Rückstand und nur einem anstehenden Spiel konnte Villa den Reds den Titel nicht mehr streitig machen. Liverpool war Meister!

Verhaltene Meisterfeier beim Liverpool FC
Trotz der verlorenen Meisterschaft 1989 hatten die Feierlichkeiten in Liverpool eine gewisse Routine in sich. Schließlich war es die zehnte Meisterschaft in den vergangenen 15 Spielzeiten. Es sollte aber der bis dato letzte Gewinn der englischen Liga für die Reds sein. „Du hättest damals nicht geglaubt, dass wir drei Jahre lang keinen Titel gewinnen würden, geschweige denn 30 Jahre“, sagte Barry Venison gegenüber This is Anfield. Der Verteidiger kam in der Meistersaison auf 25 Einsätze für den Liverpool FC.
„Nach dem Spiel war es das gleiche Szenario: Jedes Mal, wenn Liverpool Erfolg hatte, kam Ronnie Moran in der Umkleidekabine zu dir und sagte: ‚Denkt daran, Dickköpfe, es ist jetzt vorbei, wir haben die Vorbereitung vor uns, wir müssen herausgehen und erneut gewinnen‘.“ Bei der Titelübergabe drei Tage später beim Heimspiel gegen Derby County wirkte der Jubel des Kapitäns Alan Hansen fast verhalten, wenn man es mit den Jubelszenen von Steven Gerrard und Jordan Henderson nach Liverpools Champions League-Siegen 2005 und 2019 vergleicht.

„Natürlich sind wir an diesem Abend ausgegangen, um zu feiern, aber damals waren wir sowieso die meisten Nächte unterwegs!“, sagte Barnes gegenüber der Zeitung inews. „Ja, wir hatten den Titel gewonnen und ihn genossen, aber als Verein hatten wir ihn schon so oft gewonnen, und der Liverpooler Weg bedeutete, dass wir uns bald darauf konzentrierten, ihn in der folgenden Saison wiederzugewinnen. Ich nehme an, wenn wir damals gewusst hätten, dass 1990 das letzte Mal sein würde, dass Liverpool die Meisterschaft in dreißig Jahren gewinnen würde, hätten wir es ein bisschen mehr genossen.“
30 Jahre ohne Meisterschaft: Wie kam es dazu?
Nach dieser Meisterschaft sollte sich aber vieles für den Liverpool FC ändern. Zuerst trat Dalglish als Trainer zurück, die mentalen Auswirkungen der Hillsborough-Katastrophe waren zu groß für den ‚King‘. Graeme Souness, der als Spieler mit Dalglish ebenfalls mehrere Titel nach Anfield holte, übernahm das Ruder beim Verein. Souness schaffte es aber nicht, den immer älter werdenden Kader in ein erfolgreiches Team umzugestalten. Zeitgleich hielt Liverpool zu lange an den altbewährten Mustern fest, mit denen sie so erfolgreich waren.

Neue Trainingsmethoden und Spielweisen wurden von Manchester United und dem Arsenal FC besser umgesetzt. Mit dem Start der Premier League 1992/93 schafften es die beiden Vereine auch, durch die Kommerzialisierung des Fußballs höhere Gewinne zu erwirtschaften als der damalige Rekordmeister. Liverpool musste zusehen, wie Manchester United unter Trainer Sir Alex Ferguson ihnen den Rang streitig machte. Auch neureiche Vereine wie die Blackburn Rovers, Chelsea FC und Manchester City schafften es, sich die Meisterschaft zu holen.
Erst unter Jürgen Klopp gelang Liverpool der Umbruch und 2020 war es dann endlich so weit. Mit 99 Punkten aus 38 Spielen brachten Jordan Henderson und Co. den heißbegehrten Pokal zurück an die Merseyside. Zu dem 30-jährigen Jubiläum wäre es gar nicht erst gekommen, wenn der Coronavirus nicht den Fußball und das komplette Leben zum Stillstand gebracht hätte. Durch die Pandemie bekamen Mannschaft und Fans leider nicht die Gelegenheit, den Titel gemeinsam in der Innenstadt zu zelebrieren, so wie es 2019 bei dem Gewinn der Champions League möglich war. Damals strömten 750.000 Menschen in die Innenstadt der Hafenmetropole um ihre Reds zu feiern.

Sollte sich die nationale Lage in Großbritannien wieder normalisieren, wird die Meisterschaftsfeier nachgeholt, auch wenn Liverpool 2020/21 nichts zu feiern hatte. Dies versprach Jürgen Klopp direkt nach dem Gewinn der Meisterschaft. Die Partyszenen dürften wohl eher denen von 2019 ähneln, als denen von 1990. Denn anders als bei der 18. Meisterschaft würde niemand, der es mit den Reds hält, diesen Titel für selbstverständlich ansehen.