Analyse | Am Montag geht es für den Liverpool FC am 32. Spieltag der Premier League zum Aufsteiger Leeds United und deren Trainer Marcelo Bielsa.
Die Whites sind nach 16 langen Jahren in den Niederungen des englischen Fußballs endlich zurück in der Premier League. Der Manager Marcelo Bielsa (65) ist dabei einer der wichtigen Architekten des Erfolgs.

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Das Leihsystem durchbrochen
Entscheidend für den Aufstieg war das Leihspieler-System. Daher war diesen Sommer die Weiterverpflichtung von Leistungsträgern entscheidend. Mit Helder Costa (27) und Illan Meslier (21) konnten zwei dieser Leistungsträger fest verpflichtet werden, Jack Harrison (24) konnte ein weiteres Jahr von Manchester City ausgeliehen werden.
Als Nachfolger für Ben White (23), den wohl besten Innenverteidiger der abgelaufenen Zweitligasaison, der nur aus Brighton ausgeliehen war, konnte man Robin Koch (24) aus Freiburg und Diego Llorente (27) aus Spanien verpflichten. Dazu kam mit Rodrigo (30) ein flexibler Offensivspieler, der in seiner Karriere schon alles gesehen hat, aus Valencia. Der wohl wichtigste Neuzugang war Raphinha (24). Der brasilianische Außenbahnspieler kam am letzten Tag des Transferfensters aus Rennes. Inzwischen ist Raphinha wohl der leistungsstärkste Offensivspieler im Kader.

Pressing und Ballbesitz
Defensiv jagt Leeds den Gegner nach Ballverlusten über den gesamten Platz. Grundlage ist die sogenannte „Bielsa Press“, ein extremes Pressing-System, in dem alle Spieler mitarbeiten müssen. Das Pressing zeichnet sich durch Momente aus, in denen bis zu sieben Spieler einen Gegner jagen. So möchte man den Spielaufbau des Gegners schon im Keim ersticken.
Konnte durch dieses Pressing ein schneller Gegenangriff verhindert werden, spielt Leeds die sogenannte „Manndeckung + 1“. Das bedeutet, dass jeder gegnerische Spieler manngedeckt wird und entsprechend auch aus der Position heraus verfolgt wird. Einzige Ausnahme ist einer der gegnerischen Innenverteidiger. Dafür hat man selbst einen freien Verteidiger, der defensiv die Lücken stopft, sollten welche auftreten.

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Offensiv wird aus dem 4-1-4-1 System ein 3-3-1-3. Der defensive Mittelfeldspieler Kalvin Phillips (25) lässt sich hierbei zwischen die beiden Innenverteidiger fallen, um im Spielaufbau zu helfen. Mit Mateusz Klich (30) oder Stuart Dallas (29) lässt sich einer der beiden eigentlich offensiven Mittelfeldspieler zwischen die beiden aufrückenden Außenverteidiger fallen. Der andere offensive Mittelfeldspieler agiert zwischen den Linien, um den Ball von den aufbauenden Spielern hin zu den offensiven Spielern zu bringen. Diese Aufgabe nahm in der Aufstiegssaison zumeist Pablo Hernandez (36) an. Der routinierte Spanier war das Herz und die Seele des Spiels. In dieser Saison übernehmen diesen Part zumeist Rodrigo oder Tyler Roberts (22).
Marcelo Bielsa – Der größte Theoretiker unserer Zeit
Marcelo Bielsa. Dieser Name löst bei den meisten Fachleuten Gänsehaut aus. Es gibt wohl niemanden, der seit Johann Cruyff den Fußball so sehr durchdacht und verstanden hat wie der Argentinier. Ihm beim Philosophieren über den Fußball zuzuhören ist eine helle Freude. Nicht umsonst nennen ihn Welttrainer wie Pep Guardiola (50) und Mauricio Pochettino (49), wenn sie nach ihrem Vorbild gefragt werden.
Vor allem auf Guardiola hat er einen extremen Einfluss. Bevor Guardiola seine Trainerkarriere begann, besuchte er Bielsa auf dessen Ranch. Aus einem kleinen Austausch wurde eine elfstündige Taktikschulung. „Er ist der beste Trainer der Welt. Wer ein Trainer werden will, muss vorher mit ihm geredet haben.“, so adelte Guardiola „El Loco“, den Verrückten, wie er genannt wird.

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Bielsa hat in seiner Zeit in Argentinien sämtliche jungen Talente des Landes selbst gescoutet und in einem Aktenordner kategorisiert. Dafür reiste er monatelang durch das ganze Land. Den jungen Pochettino klingelte er beispielsweise nachts um zwei Uhr aus dem Haus, um ihm nur anhand seiner Beine eine große Karriere zu prophezeien. Nach eigenen Aussagen verbringt er selbst den Weihnachtstag damit, Videos über kommende Gegner zu studieren.
Spiongate und absichtliches Gegentor
Großes Aufsehen erregte auch das sogenannte „Spiongate“. Es wird behauptet, Bielsa habe einen Mann als Co-Trainer verkleidet bei Derby County in den Trainingsbetrieb eingeschleust. Der Spion sollte Informationen über den kommenden Gegner sammeln. Eine weitere kuriose Geschichte machte Schlagzeilen, als er seine Spieler anwies den Gegner Aston Villa in einem Spiel ein Tor erzielen zu lassen. Grund dafür war, dass sein Team ein Tor erzielte, obwohl ein gegnerischer Spieler verletzt auf dem Boden lag.

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Wie sehr Bielsa den Fußball durchdrungen hat, sieht man auch daran, dass er sämtliche Möglichkeiten, wie Spieler auf Situationen reagieren können, erfasst hat. So gibt es laut ihm 29 verschiedene Formationen, 17 defensive Spielweisen, 26 mögliche Bewegungen, mit denen ein Verteidiger seinem Gegenspieler den Ball abnehmen kann, fünf Wege, sich aus der Deckung eines Gegenspielers zu befreien und 36 verschiedene Arten, wie Spieler über Pässe miteinander kommunizieren können.
Starker Lauf befreit von Abstiegssorgen
Die Whites stehen nahezu durchgehend im unteren Mittelfeld der Tabelle. Die schlechteste Platzierung war Rang 15, die beste Rang 6. Nachdem sie im Februar vier Niederlagen aus fünf Spielen kassierten, drohte man, in den Abstiegskampf gezogen zu werden. Neun Punkte betrug der Vorsprung noch. Doch in den letzten vier Spielen generierte man zehn Punkte, spätestens mit dem Sieg bei Manchester City am vergangenen Wochenende (2:1) entledigte man sich sämtlicher Abstiegssorgen. Theoretisch könnte Leeds sogar noch die europäischen Plätze angreifen. Vier Punkte beträgt der Rückstand auf die Tottenham Hotspur auf Platz sieben.
Patrick Bamford – Endlich in der Premier League angekommen
Patrick Bamford (27) hat einen langen Weg hinter sich. Mit 18 Jahren verpflichtete der Chelsea FC den als großes Talent geltenden Stürmer von seinem Jugendverein Nottingham Forest. Wie es bei den Blues so üblich ist, wurde auch Bamford zunächst verliehen. Da sich nicht die gewünschte Entwicklung einstellte, verlieh man ihn immer und immer wieder.
Insgesamt sechs Leihstationen später und keine einzige Partie für die Profis von Chelsea später verließ Bamford den Verein endgültig. 16 Monate blieb Bamford in Middlesbrough, ehe Leeds zuschnappte. Fast acht Millionen Euro ließen die Whites sich die Dienste des Stürmers kosten.
Vor allem seine Arbeit gegen den Ball war es, die den in diesem Sommer neuen Leeds-Trainer Bielsa begeisterte. Elf Tore in der Vorsaison hingegen waren nicht gerade ein Argument für Bamford. Auch in Leeds wurde Bamford in seinen ersten zwei Jahren nicht gerade zu einem Torjäger. 25 Tore in 67 Spielen bei einem Topteam sind eine maximal durchschnittliche Torquote.

In dieser Saison ist alles anders. Bamford kann gefühlt nicht mehr verschießen. Der 1,85 Meter große Stürmer steht bereits bei 14 Saisontoren. Dazu hat er sich auch spielerisch unter Bielsa deutlich weiterentwickelt. Acht Torvorlagen sprechen eine deutliche Sprache, in der Scorerliste steht Bamford somit auf Rang vier innerhalb der Premier League.
Prognose
Gegen das Pressing klar zu kommen wird für Liverpool entscheidend sein. Dafür bedarf es vor allem im Mittelfeld die entsprechenden Spieler. Gelingt es den Reds, das Pressing auszuhebeln, ist Leeds durchaus anfällig. Die Angreifer dürften genug Platz bekommen, um Tempo aufnehmen zu können. Die offensiven Außenverteidiger Liverpools werden ihre Räume bekommen um gefährlich ins Spiel eingreifen zu können.

Auch zu packen sind die Whites bei Standards. Mit 15 Gegentoren stellt man hier die mit weitem Abstand schwächste Defensive der Liga. Zuletzt wurde es zwar besser, da Llorente nach langer Verletzung einsatzfähig ist und dadurch dauerhaft zwei gelernte Innenverteidiger auf dem Feld stehen, durch die Fokussierung auf den läuferischen Aspekt sind die meisten Spieler im Kader dennoch weiterhin eher kopfballschwach. Auch die mannorientierte Verteidigung von Ecken hilft dabei wenig.
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Offensiv sind bei den Whites nahezu alle Spieler gefährlich. Harrison und Raphinha sind technisch hervorragend ausgebildet, Bamford macht aus einer halben Chance ein Tor. Dazu hat sich vor allem Dallas zu einer sehr potenten Offensivwaffe entwickelt. Der eigentliche Linksverteidiger agiert vermehrt im zentralen Mittelfeld und kommt bereits auf starke sieben Saisontore.