Analyse │Am Samstag empfängt der Liverpool FC am 25. Spieltag der Premier League den Everton FC zum Stadtderby. Die Gegneranalyse der Redmen Family.
Geschrieben von Lukas Heigl
durchschnittliche Lesedauer: 6 Minuten
Auf der anderen Seite des Stanley Park versucht man seit Jahren, die Topteams anzugreifen. In dieser Saison sieht es bisher so aus, dass dies tatsächlich klappen kann.
Bereits im letzten Jahr konnte man andeuten, welches Potenzial in der Mannschaft steckt. Nach einer schwachen Hinrunde konnte man sich in der Rückrunde deutlich steigern. In Phasen sah man wie ein richtiges Topteam aus. Dieser Weg sollte im Sommer weiter beschritten werden.
Das Mittelfeld als Schwachstelle erkannt
Im Sommer kamen einige namhafte Spieler. Der bekannteste dürfte ohne Zweifel James Rodriguez (29) sein. Der kolumbianische Kreativspieler kam ablösefrei von Real Madrid. Doch auch Allan (30), der aus Neapel kam, konnte sich in den letzten Jahren einen Namen im internationalen Spitzenfußball machen. Mit dem Franzosen Abdoulaye Doucouré (28) konnte man außerdem einen Spieler verpflichten, der beim Watford FC in den letzten Jahren starke Leistungen in der Premier League zeigte. Diese drei Spieler sind alles Mittelfeldspieler. Somit wurde die große Schwachstelle der letzten Saison erkannt. Dort gab es aus dem Mittelfeld weder Kreativität noch Dynamik. Auch einen Abräumer wie den Brasilianer Allan suchte man vergeblich.

Außerdem noch verpflichtet wurde mit Ben Godfrey (23) ein talentierter Innenverteidiger von Norwich City, der auch auf beiden Außenverteidigerpositionen aushelfen kann. Dadurch hat man nun vier mehr als taugliche Innenverteidiger im Kader, die sich mit ihren Stärken gut ergänzen. Mit Robin Olsen (31) wurde am letzten Tag des Transferfensters noch ein Torwart vom AS Rom geliehen, der Jordan Pickford (26) Druck machen soll. Abgegeben wurde kein Stammspieler. Lediglich der Abgang des langjährigen Kapitäns Leighton Baines (36) schmerzte, vor allem auf emotionaler Ebene. Der Linksverteidiger beendete im Sommer seine Karriere.
Carlo Ancelotti – Großer Name, aber auch noch große Leistung?

Carlo Ancelotti ist einer der erfolgreichsten Trainer dieses Jahrtausends. Mit dem AC Milan prägte er eine Ära, mit dem Chelsea FC holte er das Double in England. Des Weiteren führte er Paris Saint-Germain zur Meisterschaft in Frankreich, mit Real Madrid holte er „La Décima“, den zehnten Champions-League-Titel, auf den man in Madrid so lange warten musste.
Doch seit seinem Abgang aus Madrid läuft es nicht mehr so. Mit dem FC Bayern München wurde er zwar Meister, allerdings waren das zu frühe Ausscheiden in Pokal und Champions League, der Stilbruch zu der Spielweise unter Pep Guardiola und das schlechte Verhältnis zur Mannschaft die Gründe dafür, dass er bereits nach etwas mehr als einem Jahr entlassen wurde.
Im Sommer 2018 übernahm er den SSC Neapel. Allerdings wurden ihm hier die gleichen Dinge wie in München zum Verhängnis, der Stilbruch zu seinem Vorgänger Maurizio Sarri war zu groß, dazu blieb der Erfolg aus und die Mannschaft wirkte nicht von seiner Spielidee begeistert. Am 22.12.2019 verschlug es ihn schließlich wieder nach England, wo er als Vertrauensbeweis direkt einen Vertrag bis 2024 bei den Toffees erhielt.

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Offensive Außenverteidiger, inverse Flügel
In der letzten Saison spielte man unter Ancelotti hauptsächlich im 4-4-2. Das lag vor allem daran, dass man schlicht nicht genug fähige Mittelfeldspieler im Kader hatte. In dieser Saison stellte man das System auf ein 4-3-3 um, das in Phasen mehr wie ein 4-3-1-2 wirkt. Grund dafür ist, dass mit James ein eigentlich zentral offensiver Mittelfeldspieler den rechten Flügel besetzt und mit Richarlison (23) ein eigentlicher Mittelstürmer den linken Flügel. Da beide oft zentral zu finden sind, James hinter den Spitzen und Richarlison neben der eigentlich einzigen Spitze Dominic Calvert-Lewin (23), verändert sich das System entsprechend.

Die sehr zentral orientierten Außenspieler kommen auch den beiden Außenverteidigern zu Gute. Vor allem Linksverteidiger Lucas Digne (27) hat seine Stärken ganz klar in der Offensive, aber auch sein Pendant auf der rechten Seite, Kapitän Seamus Coleman (32), ist um Ausflüge in das gegnerische Drittel nicht verlegen. Wobei in den letzten Spielen Mason Holgate (24) dem Iren auf der rechten Seite den Rang abgelaufen zu haben scheint. In den letzten zehn Spielen stand Coleman lediglich dreimal in der Startelf, ausgerechnet diese drei Spiele verlor man.
Defensiv lässt man sich relativ weit zurückfallen, die Offensivspieler sind nicht gerade für ihr ausgeprägtes Pressing bekannt, auch wenn die Arbeit gegen den Ball vor allem bei James diese Saison deutlich besser ist als sein Ruf. Ansonsten versucht man, den Gegner auf die Außen zu drängen und zu Flanken zu verleiten. Mit Michael Keane (28) und Yerry Mina (26) stehen normalerweise in der Innenverteidigung zwei extrem kopfballstarke Innenverteidiger bereit, um die Flanken allesamt zu klären. Mina hat sich im Nachholspiel gegen Manchester City (1:3) jedoch verletzt und könnte ausfallen. Sollte dies der Fall sein, wird wohl Godfrey seinen Platz einnehmen.

Konstant inkonstant
Nachdem sich in der Hinrunde gute Phasen mit mehreren Siegen am Stück mit negativen Phasen abgewechselt hatten, ist die Rückrunde eine reine Achterbahnfahrt. Im neuen Jahr konnte man in sieben Spielen noch nicht einmal zwei Spiele in Folge gewinnen, auch eine echte Niederlagenserie gab es nicht. Auch die Leistungen waren sehr inkonstant. Holten die Toffees mit den Unentschieden gegen Manchester United (3:3) und Leicester City (1:1) durchaus überraschende Punkte, verlor man im gleichen Zeitraum gegen zwei Abstiegskandidaten, namentlich Newcastle United (0:2) und Fulham FC (0:2). Da jedoch auch die Konkurrenz alles andere als konstant punktet, ist man immer noch in Reichweite der Champions-League-Plätze. Vor allem auswärts sind die Toffees sehr stark, die letzten sieben Spiele blieb man ohne Niederlage.
Prognose

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Everton wird nicht – wie zuletzt oft passiert – nur versuchen, dem LFC das Leben durch gute Arbeit gegen den Ball so schwer wie möglich zu machen, sondern die Toffees haben inzwischen eine eigene, offensive Identität. Diese zeigen sie auch gegen die großen Mannschaften, so war man gegen die Tottenhams Hotspur in der Hinrunde über weite Strecken das bessere Team, konnte Leicester vier Punkte abnehmen. Vor allem die zentral agierenden Flügelspieler und die offensiven Außenverteidiger sind zu beachten. Aber auch das zentrale Mittelfeld um Doucouré kann im Gegensatz zu den letzten Jahren die Abwehr schnell in Probleme bringen, sollte die Absicherung nicht stimmen.
Aus Sicht von Everton gab es wohl nie ein Jahr, in dem es leichter war, in die Phalanx der Topteams vorzustoßen. Hierfür werden die Toffees alles geben. Ein zusätzlicher Ansporn dürfte sein, dass man mit einem Sieg punkte mäßig mit dem großen Nachbarn gleichziehen würde. Ein Vorteil für Liverpool dürfte sein, dass Everton noch am Mittwoch ihr Nachholspiel gegen Manchester City austragen musste. Neben der Verletzung von Mina dürfte die Fitness vieler Spieler etwas darunter leiden, da Ancelotti nicht dafür bekannt ist, viel zu rotieren.