Redmen Family Germany exklusiv – Kolumne von Christian Gürnth | Da ist sie, die Kolumne über die ich seit Wochen nachdenke. Hier sind die ersten Sätze. Satz 3 beispielsweise. Oder Satz 4. Dabei weiß ich noch gar nicht so recht, worum es in dieser mit regelmäßiger Unregelmäßigkeit erscheinenden Kolumne gehen soll – und auf diese Weise beginnen sehr viele Kolumnen. Der Autor denkt darüber nach was er seinen Lesern mitteilen will und kann. Was andere Autoren nicht eh schon geschrieben haben. Wo neue Denkanstöße sind oder sein können. Wie ist das bei Liverpool-Kolumnen? Redet man über die goldenen 70er und 80er? Schreibt man über die Tragik der Vereinsgeschichte? Huldigt man Klopp? Definiert man die Erfolge und Niederlagen über bestimmte Spiele? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.

Was ich aber weiß: Liverpool ist für mich mittlerweile eine feste Institution im Leben. Ein Fixpunkt. Die Konstante die seit ewig vielen Jahren für vielerlei Emotionen in mir sorgt. Für Freude und Trauer, Liebe und Hass. Liverpool ist wie „mein Baby“, welchem ich beim Wachsen zuschaue. Schritt für Schritt, erst tapsig, dann selbstsicherer, einige Fehlentscheidungen treffend, auf der schiefen Bahn ankommend und dann doch die richtige Abfahrt nehmend. Liverpool ist einfach immer da. Job gewechselt und in einer neuen Stadt unterwegs? Liverpool ist da. Vater geworden und überfordert von den neuen Verantwortungen? Liverpool ist da. Beziehung gescheitert und innerlich kaputt? Ja, auch dann ist Liverpool da.

Dann kam 2020. Liverpool ist da.
Covid-19 ist es auch.

Liverpool’s German manager Jurgen Klopp celebrates during the Premier League trophy presentation following the English Premier League football match between Liverpool and Chelsea at Anfield in Liverpool, north west England on July 22, 2020. – Liverpool on Wednesday lifted the Premier League trophy at the famous Kop stand at Anfield after their final home game of the season. With no fans able to attend due to the COVID-19 coronavirus pandemic, Liverpool said the idea for the trophy lift was to honour the club’s fans, but Liverpool manager Jurgen Klopp urged fans to respect social distancing measures, after thousands gathered around the club’s stadium and in the city centre following their coronation as champions last month. (Photo by Laurence Griffiths / POOL / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE. No use with unauthorized audio, video, data, fixture lists, club/league logos or ‚live‘ services. Online in-match use limited to 120 images. An additional 40 images may be used in extra time. No video emulation. Social media in-match use limited to 120 images. An additional 40 images may be used in extra time. No use in betting publications, games or single club/league/player publications. / (Photo by LAURENCE GRIFFITHS/POOL/AFP via Getty Images)

In 2020 wurde der Begriff „Zeit“ egal. Januar, Februar, Pandemie … 2022. So fühlt es sich gerade an. Niemand weiß was morgen ist. Und Liverpool ist da. Liverpool, eine der Covid-19-Hochburgen Englands. Und dennoch wird Fußball gespielt. Mitten in der Pandemie.

Und ich weiß nicht was ich davon halten soll.

Ich finde es den Spielern und ihren Familien gegenüber verantwortungslos. Ich finde es den Fans gegenüber allerdings wichtig. Fußball bringt Freude. Fußball bringt mentale Gesundheit. Fußball bringt Alltag. Fußball ist eine der wenigen Sprachen, die international verbindet. Eine Sprache die ein Kind in Mexiko-Stadt spricht, ebenso wie ein Sparkassen-Mitarbeiter in Oer-Erkenschwick. Klingt pathetisch? Ja. Aber es ist Fakt. Auch wenn keine Fans im Stadion sind – Liverpool ist da. Auch jetzt.

Liverpool fans celebrate outside Anfield in Liverpool, north west England on July 22, 2020 after Liverpool’s final home English Premier League football match of the season against Chelsea after which the team was presented with the Premier League trophy. – Liverpool on Wednesday lifted the Premier League trophy at the famous Kop stand at Anfield after their final home game of the season. With no fans able to attend due to the COVID-19 coronavirus pandemic, Liverpool said the idea for the trophy lift was to honour the club’s fans, but Liverpool manager Jurgen Klopp urged fans to respect social distancing measures, after thousands gathered around the club’s stadium and in the city centre following their coronation as champions last month. (Photo by Oli SCARFF / AFP) (Photo by OLI SCARFF/AFP via Getty Images)

In meiner Heimat sagt man, man kommt „vom Hölzchen aufs Stöckchen“. Zugegeben, wenn man es bei uns sagt, dann klingt es eher wie „vom Hölzkchken aufs Stöckschn“, aber der Sinn bleibt gleich: Man schweift vom Thema ab – in einer guten Kolumne wird dann „doch ein Schuh draus“.

Und genau das machen wir jetzt. Einen harten Cut. Kennt ihr Ted Lasso auf Apple TV? Falls nicht. Egal. Ihr verpasst zwar eine der besten Serien der letzten Zeit, aber den Inhalt kann man auch so kurz wiedergeben: Es geht um Ted Lasso, einen American-Football-Coach der nach England kommt, um ein Team der Premier League zu trainieren. Eigentlich geht es in der Serie um Zwischenmenschliches, der Fußball ist eher Mittel zum Zweck. Es gibt kurze Szenen in Pubs und im Stadion. Und genau diese Sequenzen haben mich zum Nachdenken gebracht.

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Ich habe so lange darüber nachgedacht „was fehlt“ während der Covid-19-Zeit im Stadion. „Zuschauer“ schien mir als Antwort zu simpel. Und das ist sie auch. Zuschauer fehlen nicht. Sonst bräuchte man keine vierte, fünfte, sechste und neunzehnte Liga in Deutschland, Indien und San Marino. Zuschauer machen keinen Fußball aus. Auf dem Bolzplatz früher war auch kein Zuschauer, dennoch war es „der wichtigste Ort der Kindheit“. Der Unterschied zwischen dem was auf dem Kreisliga-Platz und in der Premier League abgeht, ist das, was die Zuschauer mitbringen – die Seele des Vereins, des Fußballs und die Geschichte jedes Einzelnen, die ihn in genau diese Kurve genau zu diesem Platz geführt hat. Es ist die Emotion des Moments. Die Gemeinschaft und der gemeinsame Nenner. Jeder von uns ist ein Teil von Liverpool. Wir SIND Liverpool.

Ich vermisse es mit euch im Stadion zu stehen.
Oder zu sitzen – ich werde ja langsam alt und kauzig.