In einer heißen Juninacht in Madrid feierte Liverpool mit dem Champions League-Finalsieg gegen Tottenham Hotspur die Rückkehr in den Fußballolymp.
Mai 2018 in Kiew: Der Liverpool FC erreichte überraschenderweise das Champions League-Finale nach fünf Jahren Abstinenz von Europas Spitzenklasse. Doch statt des Wunders flossen die Tränen im roten Lager. Bei Mohamed Salah, der nach einem üblen Foul von Real Madrids Sergio Ramos in der ersten Halbzeit mit einer verletzten Schulter das Feld verlassen musste. Bei Loris Karius, der mit zwei spektakulären Patzern zur tragischen Figur des Abends wurde und bei den zahlreichen Fans, die diese bittere Niederlage verarbeiten mussten.

Starke Neuzugänge ebnen den Weg ins Finale
Jürgen Klopp vergoss keine Träne. Zwar wirkte er nach dem Schlusspfiff zerknirscht, doch er wischte diese 1:3-Niederlage weg und machte sich wieder an die Arbeit. Im Sommer verstärkte er den Champions League-Finalisten mit hochkarätigen Neuzugängen. Naby Keïta, im Jahr zuvor schon fest von RB Leipzig verpflichtet stieß zum Kader, ebenso wie Angreifer Xherdan Shaqiri (Stoke City), Mittelfeld-Ass Fabinho (AS Monaco) und der zu diesem Zeitpunkt teuerste Torhüter der Welt, Alisson Becker (AS Rom). Der Finaleinzug 2018 soll keine Ausnahme gewesen sein.
Eine lange Eingewöhnungszeit brauchten die neuen Spieler nicht. Die Reds legten einen fulminanten Saisonstart hin und spielten über die komplette Saison weg wie eine geölte Maschine. Im Meisterschaftskampf musste man sich trotz 97 erspielten Punkten dem Titelverteidiger Manchester City geschlagen geben. In der UEFA Champions League setzte sich das Team von Klopp knapp in einer schweren Gruppe mit Paris Saint-Germain, SSC Neapel und Roter Stern Belgrad durch. In der K.O.-Runde schalteten die Reds den FC Bayern München, den FC Porto und den FC Barcelona aus und erreichten das Finale in Madrid.

Gerade das spektakuläre Halbfinalrückspiel gegen den FC Barcelona machte die mentale Stärke des Liverpooler Kaders deutlich. Eine 0:3-Niederlage bei den Katalanen wurde im heimischen Anfield ohne Schlüsselspieler wie Mohamed Salah und Roberto Firmino durch einen 4:0-Erfolg gedreht. Die Spieler wollten nicht erneut wie in Kiew Tränen vergießen, sondern ein Jahr nach der Niederlage den Madrid den Henkelpott an die Merseyside bringen.
Madrid wird von Liverpool-Fans überschwemmt
Gegner in der spanischen Hauptstadt war ein Rivale aus der heimischen Liga – Tottenham Hotspur. Die Nordlondoner hatten sich ähnlich wie Liverpool 2018 überraschend ins Finale gespielt. Dazu gelang ihnen im Halbfinale gegen Ajax Amsterdam mit einem 3:2-Sieg nach 0:2-Rückstand im Rückspiel ihr eigenes kleines Wunder. Den letzten Titelgewinn feierten die Spurs 2008, Liverpool 2012 (beide Male war es der League Cup). Beide Teams wollten ihren Fans endlich was zu feiern geben.

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Knapp 100.000 Liverpool Fans reisten nach Madrid, um ihre Mannschaft vor Ort anzufeuern. Selbstverständlich hatte nicht jeder ein Ticket für das Spiel im Wanda Metropolitano, aber auf dem Plaza Felipe II in der Innenstadt feierten die Massen gemeinsam zur Musik von BOSS NIGHT. Das Madrider Zentrum war ein Meer aus Rot, das Weiß der Spurs war selten zu sehen. Die Stimmung war fantastisch: Nur wenige Reds rechneten mit der zweiten Finalniederlage in Folge.
Die Bedingungen für das Spiel am 1. Juni waren nicht ideal. Das letzte Pflichtspiel beider Teams war drei Wochen her und bei Temperaturen über 30 Grad Celsius waren die Anstrengungen einer langen Saison deutlich schneller spürbar. Dementsprechend bekam die Fußballwelt keinen sportlichen Leckerbissen geliefert wie noch in den beiden Halbfinalspielen.

Salahs Blitztor war das Highlight in einer faden Partie
Der Beginn war dennoch furios: Nach nur 23 gespielten Sekunden zeigte Schiedsrichter Damir Skomina nach einem Handspiel von Tottenhams Moussa Sissoko auf dem Punkt – Elfmeter für Liverpool! Die Proteste der Spurs zeigten keine Wirkung und so trat Salah, ein Jahr zuvor noch rüde aus dem Spiel genommen, an und verwandelte sicher vom Punkt aus gegen Weltmeistertorhüter Hugo Lloris.
Es war das zweitschnellste Tor in einem Champions League-Finale, nur Paolo Maldini vom AC Mailand war beim Wunder von Istanbul 2005 schneller. Nach dem Torjubel schnitt Salah eine freche Grimasse in Richtung der TV-Kamera. Jegliche Anspannung bei Klopps Spielern war spätestens bis jetzt verflogen – Leichtigkeit und Spaß am Spiel war das Credo der Reds.

Leider konnte Liverpool daraus nicht größere Chancen kreieren. Es war ein chancenarmes Spiel und jeder, der es nicht mit Liverpool oder den Spurs hielt, hat wahrscheinlich auf seinem Smartphone aufregendere Sachen gesehen, als auf dem Spielfeld. Um für mehr Torgefahr zu sorgten, brachte Spurs ihren Halbfinalhelden Lucas Moura ins Spiel. Der Brasilianer steuerte beim 3:2-Sieg gegen Ajax alle drei Treffer bei. Liverpool machte es den Londonern gleich und brachten mit Divock Origi ebenfalls den entscheidenden Siegtorschützen des Halbfinales auf dem Platz.
Let’s talk about six – Origi bringt die Entscheidung
Selbst Moura fand aber keinen Weg vorbei an seinen Landsmann Alisson Becker. Der Keeper parierte alles, was auf sein Tor kam und so hielt Liverpool die 1:0-Führung bis in die 87. Minute. Nach einer Ecke von James Milner wurde Virgil van Dijks Schuss von den Spurs-Spielern geblockt. Der Ball landete über Umwege bei Joel Matip, der an der Strafraumgrenze für Origi auflegte. Der Belgier nahm Maß und platzierte den Ball an Lloris vorbei ins lange Eck – 2:0 für Liverpool.

Es war die vorzeitige Entscheidung! Zum sechsten Mal in der Vereinsgeschichte steht der Liverpool FC auf Europas Fußballthron. Nur der AC Mailand (siebenmal) und Real Madrid (13-mal) konnten den Henkelpott häufiger in die Luft heben. Zeitgleich war es auch der erste Titel für Trainer Jürgen Klopp und ein Großteil des Liverpooler Kaders. Am folgenden Tag versammelten sich circa 750.000 Menschen in den Straßen Liverpools um ihre Helden in Empfang zu nehmen. Nach sieben Jahren ohne einen Titel und einer knapp verlorenen Meisterschaft war der Gewinn der Champions League Balsam für die Seele jedes Liverpool-Fans.

Es soll aber nicht der Schlusspunkt von Jürgen Klopps Zeit beim Liverpool FC gewesen sein. Wie schon ein Jahr zuvor nach dem Finale in Kiew, setzte er sich einige Tage nach dem Finale an den Arbeitstisch und begann mit den Planungen für die Saison 2019/20. In dieser sollten die Reds noch den UEFA Super Cup und die FIFA-Klubweltmeisterschaft gewinnen. Viel wichtiger ist aber die erste Meisterschaft seit 1990 von der Liverpool vor der Coronapause nur noch sechs Punkte entfernt ist. Die Fans können sich auf weitere Sternenstunden wie in Madrid gefasst machen.