Am Samstag reist der Liverpool FC nach Norwich. Der Aufsteiger agiert in dieser Saison besser als erwartet, dennoch wird sich der Gang zurück in die Championship kaum mehr verhindern lassen. Die Analyse der Redmen Family:
Die letzten zweieinhalb Jahre glichen einem Märchen. Der Verein war quasi insolvent, als Daniel Farke ihn im Sommer 2017 übernahm. Ohne großes Budget und trotz der Abgänge der wohl besten Spieler schaffte man das Wunder und stieg 2019 in die Premier League auf. Auch nach dem Aufstieg konnte nicht wie bei anderen Vereinen investiert werden.
Kader: Not macht erfinderisch
Dass Farke ein Fable für Spieler aus Deutschland hat, ist schon seit längerem bekannt. Dies zeigte sich auch in diesem Winter wieder. Nachdem bereits im Sommer mit Josip Drmic und Ralf Fährmann zwei Spieler aus Deutschland kamen, holte man mit Lukas Rupp und Ondrej Duda nochmals zwei Spieler aus der Bundesliga, beide für das zentrale Mittelfeld. Dazu kamen mit Sam McCallum und Melvin Sitti zwei Talente, deren Transfers als Vorgriff auf den Sommer gesehen werden können, beide wurden bis Sommer an ihre ehemaligen Vereine zurückverliehen.
Etwas überraschend wurde die Leihe von Ibrahim Amadou vorzeitig beendet. Der Franzose kam zu Saisonbeginn regelmäßig zum Einsatz, zuletzt allerdings kaum mehr.
Trainer: Daniel Farke – Ein positiv Verrückter
Der Name Daniel Farke war kaum jemandem ein Begriff, als er nach England ging. Aus der Dortmunder Jugend kommend, meinten viele, er wäre nur geholt worden, weil er wenige Ansprüche stellte. Dass die Kritiker falsch lagen, zeigte sich schnell.

Farke ist ein Verfechter des Ballbesitzspiels. Entsprechend hat er seinen Kader auch zusammengestellt. Ihm ist wichtig, dass die Spieler etwas mit dem Ball am Fuß anfangen können.
Dazu ist er ein akribischer Arbeiter. Er sitzt oft bereits wenige Stunden nach dem letzten Spiel vor dem Fernseher und studiert den kommenden Gegner. Dieser Ehrgeiz in Kombination mit seinen taktischen und zwischenmenschlichen Stärken dürfte ihn selbst bei einem wohl bevorstehenden Abstieg für einige Teams in England sowie Deutschland sehr interessant machen.
Taktik: Hohes Pressing und spielerische Lösungen
Ein Tabellenletzter, der im Schnitt mehr als 50% Ballbesitz pro Partie hat und damit in der oberen Hälfte der Tabelle steht ist mehr als ungewöhnlich. Doch genau das ist der Ansatz von Norwich. Man versucht nicht wie andere Abstiegskandidaten, das eigene Tor zu verbarrikadieren, sondern möchte gepflegten Offensivfußball spielen. Dass dies durch die fehlende individuelle Qualität im Kader nicht immer gut geht, dürfte klar sein, allerdings möchte Farke nicht von seinem Stil abweichen, mit dem er den überraschenden Aufstieg geschafft hat.
Es wird nur im äußersten Notfall mit langen Bällen agiert. Selbst unter Druck wird versucht, sich spielerisch zu befreien. Das dürfte Liverpool entgegen kommen, da gegen Norwich das Pressing zu einigen sehr frühen Ballgewinnen führen dürfte.

Systemtechnisch spielt Norwich im 4-2-3-1, wobei die Außenspieler sehr zentral stehen und die Außenverteidiger recht offensivfreudig sind. Das Spiel ist sehr rechtslastig ausgelegt. Die drei Spieler mit den meisten Ballaktionen im Team sind mit Max Aarons der rechte Verteidiger, mit Kenny McLean der rechte defensive Mittelfeldspieler und mit Emiliano Buendia der rechte Mittelfeldspieler. Hier wird also viel Arbeit auf Andrew Robertson, Georginio Wijnaldum und Sadio Mane zukommen.
Schwächen hat Norwich vor allem bei Standardsituationen. Konnte man selbst erst drei Treffer aus diesen erzielen, kassierte man bereits zehn Gegentore nach Standards. Nur zwei Teams sind in dieser Statistik schlechter. Da Standards eine der großen Stärken Liverpools sind, dürfte hier viel Gefahr entwickelt werden.
Player to watch: Max Aarons – Wenn das Wörtchen „Wenn“ nicht wäre
Max Aarons hat alles, um einer der besten Rechtsverteidiger zu werden. Er ist schnell, gut im Passspiel, schlägt ordentliche Flanken und verteidigt auch bereits solide. Mit gerade einmal 20 Jahren in der ersten Premier-League-Saison sind seine Leistungen mehr als beachtlich. So wird er auch seit längerem mit größeren Vereinen in Verbindung gebracht, im Falle eines Abstiegs dürfte ein Wechsel nach London anstehen im Sommer, die Tottenham Hotspur gelten als aussichtsreichster Kandidat.

Warum seine Leistungen noch nicht bei allen auf dem Schirm zu sein scheinen, liegt wohl in erster Linie daran, dass er erst im September diesen Jahres für die U-21-Nationalmannschaft debütiert hat und bisher noch keine Einladung zur Nationalmannschaft erhalten hat. An seinen Leistungen liegt dies allerdings nicht, eher daran, dass die Rechtsverteidigerposition bei England wohl die am tiefsten besetzte Position in der Geschichte des Nationalmannschaftsfußballs ist.
Geht Aarons seinen Weg so weiter, könnte er über kurz oder lang – ähnlich wie viele andere Außenverteidiger auch – auch eine Option für das zentrale Mittelfeld werden.
Form: Zu Hause durchaus solide
Während man auswärts mit erst sechs Punkten aus 13 Spielen holen konnte, steht man zu Hause mit zwölf Punkten aus ebensovielen Spielen durchaus ordentlich da. Besonders beeindruckend waren hierbei sicherlich die Unentschieden gegen die Tottenham Hotspur und gegen Arsenal London und vor allem der Sieg gegen Manchester City zu Beginn der Saison. Dies zegt also, dass Norwich durchaus gegen die großen Mannschaften mitspielen kann. Und mitspielen ist hier wörtlich zu nehmen, denn man erzielte in diesen drei Spielen sieben Treffer.
In den letzten drei Heimspielen konnten hierbei ganze fünf Punkte geholt werden.

Dennoch wirkt es bei sieben Punkten Rückstand auf das rettende Ufer und angesichts eines sehr schweren Programms in den nächsten Wochen so, als würde man als erster Absteiger bereits feststehen. Doch gerade dass man eigentlich keine Chance mehr hat macht Mannschaften oftmals ja besonders gefährlich.
Prognose:
Was Liverpool mit einer Mannschaft machen kann, die mitspielen möchte, defensiv dafür große Probleme hat, hat man vor zwei Wochen gegen Southampton, aber auch im Hinspiel gegen Norwich gesehen. Die Mannschaften spielen gut mit und plötzlich steht es 4:0 für den LFC.

Ein ähnliches Schicksal könnte Norwich auch diesmal wieder ereilen. Vor allem bei Standards dürfte Liverpool klar im Vorteil sein und sich so die ein oder andere sehr gute Chance erarbeiten können.