James Pearce ist gegenwärtig wohl der größte Experte vom Liverpool FC in der Medienbranche. Deshalb hat das Sportportal The Athletic den ehemaligen Echo-Fachmann zum Saisonbeginn verpflichtet – und das hat sich schon mit einigen Exklusiv-Geschichten ausgezahlt. Der Journalist hat vor dem Duell mit Crystal Palace am Samstagnachmittag (16 Uhr) ausführlich mit Jürgen Klopp über den psychologischen Aspekt seiner Trainerarbeit gesprochen.

Die Kernaussagen des LFC-Coaches in der Zusammenfassung:

Klopp über…

… den mentalen Aspekt im Fußball: „Mentale Stärke ist wahrscheinlich die wichtigste Fähigkeit im Fußball. Du kannst die beste technische Ausbildung genossen haben, wenn du aber nicht bereit bist, kannst du es niemandem zeigen. Darin besteht kein Unterschied zum realen Leben: Der erste Schritt ist immer, dir vorzustellen, eine bestimmte Sache zu erreichen. Wenn du etwas willst, dann finde einen Weg, es auch zu schaffen.“

… die mentale Stärke seiner Mannschaft (1): „Wir sind schon einige Male zurückgekommen, aber wir dürfen das nicht als garantiert hinnehmen, es immer zu schaffen. Allerdings ist es so, wenn du etwas Tolles geschafft hast, ist es wahrscheinlich, dass es sich wiederholt. Wenn du scheiterst, musst du dich selbst überzeugen, dass du es doch schaffen kannst, dass es zumindest eine Chance gibt. Daran arbeiten wir mit den Jungs seit vier Jahren – und mittlerweile ist alles anders.“

… die mentale Stärke seiner Mannschaft (2): „Du musst dich immer wieder überzeugen, eine Sache schaffen zu können. Wenn du etwas probierst und beim ersten Versuch scheiterst, darfst du nicht aufgeben. Tust du das doch, hast du ein großes Problem. Du musst es versuchen, versuchen, versuchen – und das ist bei uns passiert. Es geht um mentale Stärke, um Einstellung und Charakter. Unsere Spieler können mittlerweile realisieren, dass sie alles schaffen können, denn wir bekommen so viel Kraft von außerhalb: von unserem Klub, unseren Anhängern und unserer Geschichte.“

… die Entwicklung in den vergangenen Monaten: „Als ich angekommen bin, haben wir oft über die Historie gesprochen. Das war eine große Bürde für mich, aber mittlerweile fühlt es sich eher wie Trampolin-Springen an: wir springen und springen nach oben. Alles hat sich geändert. Wie wir das geschafft haben? Ich habe keine Idee. Wir haben einfach angefangen, zu arbeiten und versucht, eine Stimmung zu schaffen, die allen vermittelt, alles schaffen zu können.“

… die Verpflichtung des Ex-Profis Lee Richardson als Sportpsychologen: „Es ist für uns einfach der nächste Schritt. Er arbeitet sehr speziell mit den Spielern, aber ich kann nicht sagen, worüber sie reden. Das ist mir egal. Es ist ein netter Zusatz und steht jedem Spieler frei zur Verfügung. Niemand ist gezwungen.“

… seine Rolle als Psychologen: „Natürlich muss ich Einfluss auf den Denkprozess der Spieler nehmen. Es braucht Zeit, eine Atmosphäre zu schaffen, in denen die Spieler dir Vertrauen und dir zu hören. Wenn wir gewinnen, sind die Spieler verantwortlich, wenn wir verlieren, ist es meine Schuld, weil dann habe ich es nicht geschafft, meine Message rüberzubringen. So verstehe ich meinen Job. Ich habe schon die Hürde mit der Sprache. Wenn ich dann auch noch Schwierigkeiten hätte, die Spieler zu verstehen, hätten wir ein großes Problem. Ich denke, eine meiner Stärken ist es, Probleme von anderen klar zu verstehen und entsprechend Empfehlungen auszusprechen bzw. zu helfen.“

… seine Ansprache vor einem Spiel: „Wenn wir ein Meeting starten, weiß ich eigentlich nur den ersten Satz. Das ist jede Woche der Fall. Alles, was passiert ist, ist immer in meinen Gedanken. Ich denke einfach darüber nach, was es wert ist, den Jungs zu erzählen. Gute oder schlechte Leistungen, Kleinigkeiten. Ich weiß, wie das klingen mag, aber ich weiß, dass ich immer die richtigen Worte finden werde. Ich vertraue mir dabei selbst zu 100 Prozent. Ich bin deshalb nicht nervös, im Gegenteil. Nach einem Meeting merke ich immer, dass ich hier schwitze (fasst sich an die Augenbraue). Dann weiß ich, dass es intensiv und gut war.“

… seine mentalen Ziele: „Wir müssen alle die Einstellung haben, das Höchste erreichen zu können. Deshalb kannst du nicht die Nacht durchmachen und dann der Meinung sein, um 8 Uhr in der Früh den Mount Everest zu besteigen. Das geht einfach nicht. Deshalb sagen wir uns immer ‚erst der Schritt, dann der Schritt‘.“

… seine größte Belastung als Trainer: „Länderspielpausen. Sobald das letzte Spiel vor einer Pause bestritten wurde, geht für mich die schlimmste Phase los. Dann haben wir es nicht mehr in der Hand. Sadio Mané hat mit Senegal in Swasiland gespielt. Über solche Spiele weiß man einfach nichts. Wir müssen warten, bis er sich bei uns meldet. Solche Situationen bringen mich um.“