In der Neuauflage des Champions-League-Finals dieses Jahre trifft der Liverpool FC auf die Tottenham Hotspur. Die Londoner standen im Sommer vor einer ähnlichen Herausforderung wie die Reds 2018. Beide Teams standen kurz vor einem Titel. Es fehlten die letzten Schritte. Liverpool hat es hinbekommen und gewann die Champions League und den Super Cup. Wo stehen die Spurs?

LIVERPOOL, ENGLAND – MARCH 31: Hugo Lloris of Tottenham Hotspur shows his dejection after team mate Toby Alderweireld (out of pic) scores an own goal giving a last minute victory to Liverpool during the Premier League match between Liverpool FC and Tottenham Hotspur at Anfield on March 31, 2019 in Liverpool, United Kingdom. (Photo by Clive Brunskill/Getty Images)

Kader: Verstärkungen auf den richtigen Positionen?

Nachdem man 2018 im Sommer dadurch auf sich aufmerksam gemacht hatte, dass man keinen einzigen Spieler verpflichtete, wollte man – ähnlich wie es Liverpool ein Jahr zuvor gemacht hat – mit Neuzugängen den letzten Schritt gehen. Hierzu wurden für das Mittelfeld Giovani Lo Celso aus Sevilla und Tanguy Ndombele aus Lyon geholt. Außerdem wurde Ryan Sessegnon vom Absteiger Fulham geholt, der auf der linken Seite sowohl defensiv als auch offensiv eingesetzt werden kann. Wirklich im Team fest spielen konnte sich bisher allerdings nur Ndombele, die beiden anderen haben aufgrund von Verletzungen erst wenig Einsatzzeit bekommen, Sessegnon wird auch am Sonntag ausfallen, Lo Celso wird wohl zumindest auf der Bank sitzen.

Insgesamt machte man ein Transferminus von knapp 80 Millionen, was durchaus darauf hindeutet, dass man einen Angriff auf die englische Meisterschaft plant.

Trainer: Mauricio Pochettino – Der richtige Mann für große Titel?

Vor fünf Jahren übernahm Pochettino ein Team, das um den Anschluss an die Topteams kämpfte. Man spielte zwar bereits unter Harry Redknapp Champions League, allerdings entwickelte man sich unter Pochettino noch einmal weiter. Er schaffte es trotz geringer Mittel – mit Ausnahme seiner ersten Saison – immer in die Champions League.

Kluge Transfers und die Entwicklung vor allem junger Spieler sind sein Markenzeichen. Ein Titel ist dabei noch nicht herausgesprungen.

MADRID, SPAIN – JUNE 01: Harry Kane of Tottenham Hotspur is comforted by his manager Mauricio Pochettino at the end of the UEFA Champions League Final between Tottenham Hotspur and Liverpool at Estadio Wanda Metropolitano on June 01, 2019 in Madrid, Spain. (Photo by David Ramos/Getty Images)

Pochettino ist ein Verfechter der harten Trainingseinheiten, was dem Team in der Vergangenheit einige muskuläre Verletzungen eingebracht hat und ihm selbst Kritik.

Trotz der Schwächephase stehen die Fans und die Verantwortlichen im Verein weiter hinter ihm. Allerdings sollte er allmählich vor allem seine Taktik überdenken, denn diese Schwächephase begann nicht ganz ohne Zufall genau in der Zeit, in der das System umgestellt wurde.

System: Die Wiedergeburt der Raute?

Die Raute, ein bei Topteams ausgestorben geglaubtes System erhält durch Pochettino seine Wiederauferstehung. Bis Mitte letzter Saison spielte man hauptsächlich im 4-2-3-1. Als Harry Kane dann ausfiel und Heung-Min Son im Sturmzentrum sehr gute Leistungen zeigte, stellte man nach Kanes Rückkehr das System entsprechend um.

Durch den Ausfall von Hugo Lloris, der sich gegen Brighton am Arm verletzte, wird Paulo Gazzaniga im Tor stehen. Dieser ist spielerisch besser als Lloris, wodurch die Spurs im Spielaufbau deutlich stärker sind. Vor allem seine hohen Bälle kommen mit hoher Genauigkeit bei den Mitspielern an, was ein Pressing gegen ihn sehr schwer macht. Allerdings hat er seine Schwächen im Torwartspiel, vor allem bei Fernschüssen und bei Reflexen. Hier sollte Liverpool ansetzen, Schüsse aus der zweiten Reihe sollten ein probates Mittel sein.

LIVERPOOL, ENGLAND – MARCH 31: Lucas Moura of Tottenham Hotspur celebrates after he scores his sides first goal during the Premier League match between Liverpool FC and Tottenham Hotspur at Anfield on March 31, 2019 in Liverpool, United Kingdom. (Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

Das Spiel nach vorne ist sehr mittig ausgelegt seit dem Systemwechsel, da die Außenverteidiger offensiv auch nicht zu den stärksten der Liga gehören. Viel hängt von der Dynamik von Ndombele und Sissoko ab. Diese beiden müssen Lücken reißen, die Eriksen dann mit seinen Pässen auf Son und Kane bespielen kann. Sollte Eriksen nach seiner Verletzung im nicht rechtzeitig fit werden, dürfte diese Aufgabe Dele Alli übernehmen.

Defensiv steht man bei gegnerischem Ballbesitz gut, hat allerdings aufgrund des Alters von Vertonghen und Alderweireld inzwischen Probleme bei schnellen Gegenangriffen, da das Tempo fehlt.

In der Champions League unter der Woche setzte man wieder auf das altbewährte 4-2-3-1. Hierbei wurde vor allem Sons Positionierung geändert, dieser spielte wieder auf dem Flügel. Es bleibt abzuwarten, ob das nun wieder die Dauerlösung wird.

Form: Den eigenen Ansprüchen weit hinterher

Die Form ist – gelinde gesagt – bescheiden. Konnte in der Rückrunde der letzten Saison noch das Erreichen des Champions-League-Finals über die schwachen Leistungen und die wenigen Punkte in der Liga hinweg täuschen, sieht man diese Saison endgültig, dass es nicht wirklich stimmt bei Tottenham. In der Jahrestabelle steht man lediglich auf Platz 9. Von 27 Spielen konnten lediglich elf gewonnen werden.

In dieser Saison ist besonders die Auswärtsschwäche signifikant. Während man im neuen heimischen Stadion in fünf Spielen zehn Punkte geholt hat, sind es bis dato auswärts lediglich zwei Punkte in vier Spielen. Lediglich Watford, Everton und Norwich sind auswärts schwächer. Und dann wäre da noch das 2:7 Debakel in der Champions League gegen Bayern München.

Player to watch: Heung-Min Son – Vom Chancentod zum Weltklassestürmer

LIVERPOOL, ENGLAND – MARCH 31: Heung-Min Son of Tottenham Hotspur breaks forward with the ball during the Premier League match between Liverpool FC and Tottenham Hotspur at Anfield on March 31, 2019 in Liverpool, United Kingdom. (Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

Nachdem er bei Leverkusen und auch in den ersten Jahren bei den Spurs hauptsächlich als schneller, dribbelstarker, aber ineffektiver Flügelstürmer eingestuft wurde, gehört er spätestens seit letzter Saison zu den wichtigsten Spielern bei Tottenham und zu den besten Offensivspielern der Premier League. Seit er vermehrt im Zentrum eingesetzt wird, zeigt er auch seine verbesserten Qualitäten im Strafraum. Er hat gelernt, wann er ins Dribbling gehen muss, wann er lieber noch einmal ablegt und wann er auch mal aus der Entfernung schießen muss.

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Son in dieser Saison der bisher beste Spieler von Tottenham ist und fast jede gefährliche Aktion von ihm ausgeht. Daher gilt es, ihn nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Da er auch immer wieder auf die Außen ausweicht keine leichte Aufgabe.

Prognose:

Die Spurs sind eindeutig verunsichert. Dies sollte man vor heimischer Kulisse möglichst rasch nutzen, die ersten Minuten können entscheidend für das Spiel sein. Je länger es Unentschieden steht, desto mehr Selbstvertrauen wird Tottenham bekommen. Daher ist es wichtig, dass Anfield von Anfang an voll dabei ist und man Tottenham von Beginn am hinten rein drängt.

LIVERPOOL, ENGLAND – MARCH 31: (THE SUN OUT, THE SUN ON SUNDAY OUT) Score board of Liverpool at the end of the Premier League match between Liverpool FC and Tottenham Hotspur at Anfield on March 31, 2019 in Liverpool, United Kingdom. (Photo by Andrew Powell/Liverpool FC via Getty Images)

Inwieweit der deutliche Sieg in der Champions League unter der Woche etwas daran ändert, wird sich zeigen. Einen ähnlich hohen Sieg gab es bereits einmal in der Liga, die beiden nächstens Spiele wurden trotzdem nicht gewonnen.

Dennoch muss auch die Absicherung passen, vor allem auf Son, der immer wieder nach außen ausweicht, muss geachtet werden.

Interessant wird vor allem die Positionierung der zentralen Mittelfeldspieler. Diese müssen, sollte die Raute gespielt werden, eigentlich sowohl die zentralen Mittelfeldspieler von Liverpool als auch die beiden Außenverteidiger zu stellen. Ob ihnen dies gelingt, ist äußerst fraglich.

Sonntag Abend wissen wir mehr.