Im ersten Teil unseres Vergleichs der Beinahe-Meisterteams des Liverpool FC mit dem aus der aktuellen Saison befassten wir uns mit dem Saisonverlauf bis Ende März. In Teil zwei schauen wir uns nun an, wie die jeweiligen Teams aufgebaut waren und wo ihre Stärken und Schwächen lagen.

Den ersten Teil dieser Artikelreihe findet ihr hier

2008/2009:

Rafa Benitez hatte in seiner seit 2004 andauernden Amtszeit ein starkes Team aufgebaut. Angeführt wurde die Truppe von Kapitän Steven Gerrard, seinem Vize Jamie Carragher und den vier spanischen Europameistern Xabi Alonso, Fernando Torres, Alvaro Arbeloa und Pepe Reina. Die Mannschaft spielte jedoch nicht den berauschenden Fußball, den man aus den vergangenen Jahren vom LFC gewohnt war. Rafa legte zunächst einmal Wert auf eine gefestigte Defensive.

Pepe Reina war zu dieser Zeit einer der besten Torhüter Europas. Vor ihm hielt Dauerbrenner Jamie Carragher die Defensive zusammen und absolvierte alle 38 Ligaspiele. Neben Carra liefen entweder Daniel Agger, Martin Skrtel oder Sami Hyypia auf, während auf den Außenpositionen Fabio Aurelio und Alvaro Arbeloa gesetzt waren.

Zusätzliche Absicherung bot das Mittelfeldduo Javier Mascherano und Xabi Alonso, dass viele Angriffe des Gegners bereits in der Entstehung abwürgte. Musste einer der beiden einmal zusehen, so stand mit Lucas Leiva ein adäquater Ersatz bereit. Der Brasilianer kam immerhin auf 25 Einsätze und zeigte seine Qualität als wichtiger „Squad Player“.

LIVERPOOL, UNITED KINGDOM – APRIL 08: Fernando Torres of Liverpool celebrates scoring the opening goal with team mate Steven Gerrard (R) during the UEFA Champions League Quarter Final First Leg match between Liverpool and Chelsea at Anfield on April 8, 2009 in Liverpool, England. (Photo by Clive Rose/Getty Images)

Vorne richteten es allzu oft Gerrard, Torres, Dirk Kuyt oder Yossi Benayoun. Zusammen waren sie für 50 der 76 Ligatore der Reds verantwortlich. Kapitän Gerrard spielte 2008/09 auf dem vielleicht höchsten Level seiner Karriere und erzielte 16 Tore in der Premier League. Mit Ryan Babel, Albert Riera und (bis zur Winterpause) Robbie Keane hatte Benitez zudem starke Optionen auf der Bank.

Seine letzte Saison im Trikot des LFC absolvierte der langjährige Abwehrchef Sami Hyypia, der im folgenden Sommer nach Leverkusen wechselte, um seine Karriere ausklingen zu lassen. Der Finne kam dennoch auf 16 Einsätze in der Premier League.

Benitez konnte sich auf die Breite seines Kaders verlassen. Insgesamt 21 Spieler kamen auf mindestens zehn Ligaeinsätze. 15 trugen sich im Laufe der Saison in die Torschützenliste ein. Die Vorzüge zeigten sich besonders zum Ende der Saison, als Liverpool zehn der letzten elf Ligaspiele gewinnen konnte.

2013/2014:

Einen anderen Weg wählte Brendan Rodgers fünf Jahre später. Er hatte eine klare Stammelf und wich selten von dieser ab. Mittelpunkt des Teams war immer noch „Captain Fantastic“ Steven Gerrard, außerdem bildeten Luis Suarez, Daniel Sturridge, Philippe Coutinho, der aufstrebende Raheem Sterling sowie Abwehrchef Martin Skrtel und Torwart Simon Mignolet das Rückgrat der Mannschaft.

LIVERPOOL, ENGLAND – FEBRUARY 08: (THE SUN OUT, THE SUN ON SUNDAY OUT) Raheem Sterling of Liverpool celebrates his goal with Luis Suarez during the Barclays Premier League match between Liverpool and Arsenal at Anfield on February 8, 2014 in Liverpool, England. (Photo by John Powell/Liverpool FC via Getty Images)

Rodgers‘ Taktik konzentrierte sich klar auf das Offensivspiel. Am Ende der Runde standen so 101 Ligatreffer auf dem Konto der Reds. Ein Wert, der nur von den 106 Toren der Mannschaft von 1895/96 übertroffen wird. Herausragend waren insbesondere die 31 Treffer von Suarez, aber auch sein Sturmkollege Daniel Sturridge netzte 21 Mal ein. Dazu kamen 13 respektive neun Tore von Gerrard und Sterling.

Doch das Offensivspektakel hatte auch seinen Preis. Mit 50 Gegentoren kassierte Liverpool 13 Treffer mehr als Meister Man City und sogar 23 mehr als das drittplatzierte Chelsea. Simon Mignolet im Tor wurde am 1. Spieltag zum Helden, als er in der 88. Minute einen Elfmeter abwehrte und den Sieg festhielt. Im weiteren Saisonverlauf zeigte sich aber schon, dass der Belgier zwar immer für eine Weltklasseparade gut ist, aber leider auch zu oft bei hohen Bällen daneben greift.

In der Innenverteidigung war Skrtel gesetzt, Rodgers konnte aber über die gesamte Saison keinen festen Partner für den Slowaken finden. Daniel Agger hatte seine absolute Glanzzeit hinter sich und Mamadou Sakho fehlte es zu diesem Zeitpunkt noch an Erfahrung auf dem höchsten Niveau. Kolo Toure war zwar ein solider Backup, aber mit 33 Jahren fehlte es ihm oftmals an Tempo. Eine positive Überraschung stellte Jon Flanagan auf der Außenverteidiger-position dar. Leider konnte er das 2013/14 gezeigte Potenzial später zu selten abrufen.

Gegen Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte reichten die Tore der phänomenalen Offensive meist aus, aber gerade in Spitzenspielen zeigte sich, dass die Abwehr die Achillesferse von Rodgers‘ Team darstellte. Niederlagen gegen Man City, Chelsea (2x) und Arsenal stellten sich in der Endabrechnung als kostspielig heraus.

2018/2019:

Erleben wir gerade das beste Liverpool aller Zeiten? Diese Frage wird sich erst im Rückblick klären lassen und wäre sicher einen eigenen Artikel wert. Sicher ist, dass dieses Team zu den Besten gehört, die jemals den heiligen Rasen von Anfield betreten haben.

LIVERPOOL, ENGLAND – FEBRUARY 27: (THE SUN OUT, THE SUN ON SUNDAY OUT) Virgil Van Dijk of Liverpool celebrates after socing the forth goal during the Premier League match between Liverpool FC and Watford FC at Anfield on February 27, 2019 in Liverpool, United Kingdom. (Photo by Andrew Powell/Liverpool FC via Getty Images)

Das Sturmtrio Mohamed Salah, Sadio Mané und Roberto Firmino lässt Abwehrspieler in ganz Europa vor Ehrfurcht erstarren. Gini Wijnaldum, James Milner, Fabinho oder Jordan Henderson sorgen für Ordnung im Mittelfeld und die Defensive um Virgil van Dijk, Trent Alexander-Arnold, Andy Robertson und Torwart Alisson ist eine sichere Bank.

17 Mal spielten die Reds in der Liga bisher zu null, gleichzeitig erzielte das Team aber auch 70 Tore. Jürgen Klopp scheint die fast perfekte Balance zwischen Angriff und Verteidigung gefunden zu haben. Die Mannschaft spielt längst nicht mehr den berauschenden Offensivfußball der vergangenen Jahre. Trotzdem ist sie in der Lage, im entscheidenden Moment einen Gang hochzuschalten.

So gelingt es dem LFC, gegen kleinere Teams regelmäßig zu gewinnen. Lediglich drei Unentschieden (Leicester, West Ham und Everton) stehen gegen Teams außerhalb der Top Six zu Buche. Aber auch in den Spitzenduellen gab es erst eine Niederlage (1:2 bei Man City) und vier Unentschieden.

Die Reife dieser Mannschaft zeigte sich zuletzt auch beim Auswärtserfolg in München in der Champions League. Statt wie in den Vorjahren oft gesehen wild anzurennen, wartete Klopps Team geduldig auf seine Chancen und schlug dann eiskalt zu. Im Meisterkampf kann diese veränderte Mentalität durchaus ein entscheidender Faktor sein.

In Teil drei unserer Serie blicken wir auf die Schlussphase der jeweiligen Spielzeiten zurück und ziehen ein Fazit.