Er war eines der aufregendsten Talente bei den Reds und stellte in seiner aktiven Zeit selbst Steven Gerrard und Jamie Carragher kurzzeitig in den Schatten. Doch heutzutage ist die Mehrheit der Fans nicht mehr gut auf den Klub-Botschafter Michael Owen zu sprechen. Ein Negativbild, für welches er größtenteils selbst verantwortlich ist.

Zahlreiche ehemalige Liverpoolspieler bleiben auch nach ihrer aktiven Fußballerkarriere mit dem Klub verbunden. Sie werden dann Botschafter, füllen verantwortungsvoll ihre aktive oder passive Rolle als Legende aus, oder erscheinen regelmäßig bei Berichterstattungen über den LFC. Meist sind es Spieler, die viele Titel mit den Reds gewonnen haben oder Fanlieblinge, die eine besondere Beziehung zu den LFC-Anhängern hatten. Legenden wie die ehemaligen Stürmer Ian Rush oder Robbie Fowler passen da gut ins Bild. Michael Owen ist seit 2016 internationaler Klubbotschafter der Reds. Doch viele Fans kritisieren die Ernennung Owens und fordern, dass der Verein ihm dieser Rolle entzieht.

Doch warum? Wenn man einen Blick auf Owens Zeit bei den Reds wirft, gibt es nur sehr wenige Spieler, die solch einen Einfluss hatten. 158 Tore in 297 Spielen! Das auch noch als Teenager bzw. junger Erwachsener. Schon mit 17 Jahren bekam er vom damaligen Trainer Roy Evans einen Profivertrag angeboten und debütierte auch kurzerhand später im Mai 1997 in der Premier League. In seinem ersten Spiel gegen den FC Wimbledon gelang Owen auch gleich sein erste Tor für die Reds.

Owen entwickelt sich zum Weltfußballer

Danach folgte ein kometenhafter Aufstieg. Owen traf wie er wollte, ersetzte Klubikone Robbie Fowler als Stürmer Nummer eins und räumte individuelle Auszeichnungen links und rechts ab. Er wurde ebenso schnell für die englische Nationalmannschaft nominiert und reiste 1998 mit den Three Lions mit zur Weltmeisterschaft nach Frankreich – als zu der Zeit jüngster, englischer WM-Teilnehmer aller Zeiten. Seinen Höhepunkt erreichte Owen im Jahr 2001, als er mit Liverpool das Triple bestehend aus dem Ligapokal (damals Worthington Cup), dem F.A. Cup und dem UEFA Cup holte.

Besonders dem F.A. Cup Finale konnte Owen seinen Stempel aufdrücken. Liverpool lag, mit nur noch sieben Minuten auf der Uhr, 0-1 hinter dem FC Arsenal. Anders als heutzutage, waren die Gunners damals haushoher Favorit und besaßen mit Henry, Bergkamp und Co. einen der besten Kader der Welt. Bühne frei für den 1,73 Meter großen Jungen aus Chester. Owen drehte mit zwei Treffern in der 83. und 88. Minute das Spiel quasi im Alleingang und verhalf Liverpool zum Pokalerfolg im Millennium Stadium in Cardiff. Für Owen blieb es nicht nur beim Triple. Im selben Jahr gewann er noch den Ballon d’Or und wurde zum Weltfußballer des Jahres vom Magazin World Soccer ausgezeichnet. Er ist bis dato der einzige Spieler, der diese individuellen Auszeichnungen während seiner Zeit beim LFC gewann.

CARDIFF, WALES – MAY 12: Michael Owen of Liverpool celebrates with team mates Emile Heskey (left), Steven Gerrard (right) and Robbie Fowler (far right) after scoring during the FA Cup Final between Arsenal and Liverpool at the Millenium Stadium on May 12, 2001 in Cardiff, Wales. (Photo by Professional Sport/Popperfoto/Getty Images)

Es sollte der Höhepunkt in Owens Karriere bei Liverpool werden. Die nächsten Jahre waren ein ständiges Auf und Ab. Zwar gewann man 2003 erneut den „Worthington Cup“, doch lieferte sich der Verein Jahr für Jahr einen erbitterten Kampf um einen Platz in den Top Vier, welche die Qualifikation für die Champions League garantierten. Es gelang Liverpool unter Trainer Gerard Houllier nicht immer, dieses Saisonziel zu erreichen. Nachdem Houllier den Verein im Sommer 2004 verließ und Rafael Benitez das Traineramt übernahm, schaute sich Owen nach einem anderen Klub um. Vermutlich fühlte er sich zu Höherem berufen, als jede Saison bloß um einen Champions League Startplatz zu spielen.

Abstecher in die spanische Hauptstadt

Da kam ein Angebot von Real Madrid in Höhe von acht Millionen Pfund gerade recht. Owen wechselte zu den „Galaktischen“ während Antonio Nunez, als Teil des Deals, sich auf den Weg Richtung Merseyside machte. Doch Owen hatte noch nicht komplett mit dem LFC abgehakt. In einem Interview mit dem britischen Fernsehsender BT Sport, wo Owen zurzeit auch als TV-Experte tätig ist, gestand er, dass er in der Zeit immer eine Rückkehr nach Liverpool vor Augen hatte: „In meinem Kopf dachte ich mir ‚Geh nach Madrid für zwei Jahre‘ und kehre dann wieder zurück. Ich habe sogar dem Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzenden die Hand geschüttelt und gesagt: ‚Sorgt dafür, dass ihr mich wieder zurückholt.‘

Das Jahr darauf verlief enttäuschend für Owen. In der spanischen Hauptstadt hatte er, wie schon so oft in seiner Karriere, mit Verletzungen zu kämpfen und bekam dadurch wenig Einsatzzeit. Ironischerweise legten seine ehemaligen Kollegen unter der Führung von Trainer Rafa Benitez und Kapitän Steven Gerrard eine wunderbare Saison in der Champions League hin, die mit dem „Wunder von Istanbul“, dem Finalsieg im Elfmeterschießen gegen den AC Mailand nach 0:3 Rückstand, gekrönt wurde. Mit genau dem Titel, der Owen noch fehlte und den er gerne gewonnen hätte. Da er den Erwartungen in Madrid nicht gerecht wurde, schauten sich die Königlichen nach Abnehmern für Owen auf der Insel um. Tatsächlich war einer der Interessenten der frisch gekrönte Champions League Sieger.

Owen hält sich Hintertür nach Liverpool offen

Benitez suchte einen Stürmer, nachdem Vladimir Smicer den Klub verlassen hatte, und der ehemalige Superstar der Reds schien verfügbar zu sein. „Es wäre mein Traum gewesen, wieder zurückzukehren. Ich traf mich mit Rafa Benitez nach einem Jahr und wir klärten alle Details für meine Rückkehr“, sagte der mittlerweile 38-Jährige BT Sport. „Aber ich habe den Verein für acht Millionen Pfund verlassen und Liverpool wollte mich für zehn Millionen Pfund zurückkaufen. Dann kam Newcastle um die Ecke und bot 16 Millionen Pfund.“ Liverpool wollte nicht das Doppelte des Verkaufspreises zahlen und beendete das Interesse an Owen. So wechselte er an die Tyneside zu Newcastle United.

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Doch Owen hatte Liverpool noch nicht aufgegeben. In Newcastle plante er seine Rückkehr nach Anfield in die Vertragsverhandlungen mit ein. „Ich hatte in Newcastle eine Vertragsklausel, die besagte, dass ich für eine feste Ablösesumme den Verein verlassen kann. Ich war einverstanden damit, nach Newcastle zu gehen mit dem Wissen, dass ich immer noch zu Liverpool gehen kann.“ Laut Owen, konnte er Newcastle nach seiner ersten Saison für zwölf Millionen Pfund und nach seiner zweiten Saison für acht Millionen Pfund verlassen. Doch Liverpool kam nie zurück und Benitez schaute sich bei anderem Klubs nach Stürmern um. Er fand Fernando Torres bei Atletico Madrid und holte den Spanier an die Anfield Road, wo er u.a. gemeinsam mit dem in seiner Blütezeit stehenden Steven Gerrard ein gefährliches Duo bildete.

Der Pakt mit den roten Teufeln

Es klingt bis hierher bizarr, warum Fans des Liverpool FC einen ehemaligen Stürmer als Klubbotschafter ablehnen, der sich nichts lieber wünschte als eine Rückkehr zu dem Verein, in dem er seine Laufbahn begann und zum Weltstar wurde. Doch der nächste Schritt in Owens Karriere war und ist für viele Fans bis heute unverzeihlich und nicht nachzuvollziehen. Nachdem Newcastle in der Saison 2008/09 aus der Premier League abstieg, wechselte Owen im Sommer ablösefrei zum größten Rivalen der Reds: zu Manchester United!

LIVERPOOL, ENGLAND – OCTOBER 25: Michael Owen of Manchester United leaves the pitch at the end of the Barclays Premier League match between Liverpool and Manchester United at Anfield on October 25, 2009 in Liverpool, England. (Photo by Clive Mason/Getty Images)

Die Auswirkungen auf sein Ansehen bei den Scousern war abzusehen. Owen galt von nun an als „Persona non grata“ an der Merseyside. Als er am 25. Oktober 2009 für United im Premier League Spiel gegen Liverpool in Anfield eingewechselt wurde, buhten und pfiffen ihn die Kopites auf das Heftigste aus. Es gilt das Verständnis: Jemand, der das Trikot des Liverpool FC trug, kann bzw. darf nicht mehr für United spielen. United-Fans sind derselben Auffassung. Die Rivalität zwischen diesen beiden Klubs ist so stark, dass es in der langen Vereinsgeschichte dieser Vereine bloß neun Spieler gab die von Liverpool zu United, oder anders herum, gewechselt sind. Der letzte Transfers fand 1964 statt. Danach gab es trotzdem noch ein paar Spieler, die für beide Vereine spielten, aber dazuwischen auch für andere Klubs. Spieler wie z.B. Paul Ince und jetzt auch Michael Owen.

Die Abneigung gegenüber Michael Owen und seiner Rolle als Klubvertreter ist jetzt leichter zu schlussfolgern. Wie kann jemand, der behauptet den Liverpool FC doch so sehr zu lieben, einfach für den größten Rivalen auflaufen? Wie kann so jemand eine Repräsentantenrolle für den Klub übernehmen? Owen katapultierte sich nach dem Ende seiner Fußballerlaufbahn mit einigen Aussagen noch weiter ins Abseits der Reds. Schlimmer als ein Wechsel zu United ist in den Augen eines Die-Hard Fans natürlich, dies nicht einmal zu bereuen oder sogar noch dafür dankbar zu sein.

Heute United, morgen Liverpool?

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Letztes Jahr bedankte sich Owen im französischen Fernsehen bei Real Madrid Stürmer Karim Benzema. Der Franzose soll Owens Wechsel nach Madrid möglich gemacht haben. United war 2009 an Benzema interessiert. Doch da dieser sich für die Königlichen entschieden hatte, war der Weg ins Old Trafford frei für Owen. Der Engländer äußerte diese Kommentare als er das Amt des Liverpool FC Botschafters schon inne hatte. Was folgte war ein Shitstorm auf Twitter, der seinesgleichen suchte. Owen antwortete wieder, indem er seinen damaligen Wechselwunsch zu Liverpool hervorhob und er nach Anfield zurückgekehrt wäre, wenn Benitez ihn wieder gewollt hätte.

Ein weiterer Fauxpas ereignete sich ein Jahr früher im Jahr 2016. Als Experte bei BT Sport kommentierte er das Europa League Finale zwischen Manchester United und Ajax Amsterdam und identifizierte sich voll und ganz mit United. „Wir brauchen noch ein Tor“, sagte er live, als die Red Devils nur knapp gegen die Niederländer führten. Auch das geschah zu der Zeit, als Owen schon Klubbotschafter für den LFC war. Erneut äußerten die Fans der Reds über die sozialen Medien ihren Unmut. Sie starteten sogar eine Onlinepetition, um Owen von seiner Rolle als internationaler Repräsentant des Vereins zu entfernen. „Michael Owen ist eine Schande gegenüber seiner Position als Liverpools internationaler Botschafter. Er unterstützt öffentlich einen Rivalen und zeigt keinen Respekt gegenüber Liverpool, es seid denn, es passt ihm in den Kram.“, ist der Wortlaut des Beschreibungstextes der Petition.

„Ich spüre, dass ich meine Geschichte nicht erzählen durfte“

Samstag, den 25.August 2018, als Owen für BT Sport von Liverpools 1:0 Erfolg gegen Brighton berichtete, äußerte er sich nach dem Spiel zu den Buhrufen, die ihn im Anfield immer wieder begrüßen. „Es schmerzt. Ich kann es nachvollziehen, aber um es ins richtige Licht zu rücken, es ist nur eine Minderheit.“, sagte Owen. „Es gab ein paar Buhrufe vor dem Spiel, aber es waren vielleicht fünf von 55.000. Aber es ist so frustrierend, weil ich nicht spüre, dass ich meine Geschichte erzählen durfte. Weil ich sie nicht erzählen kann.“

KIRKBY, ENGLAND – MARCH 13: (THE SUN OUT, THE SUN ON SUNDAY OUT) Michael Owen Liverpool Legend during a training session at Liverpool FC Academy on March 13, 2017 in Kirkby, England. (Photo by Andrew Powell/Liverpool FC via Getty Images)

„Ich kann nicht zu den Newcastle-Fans sagen ‚Meine erste Wahl war Liverpool‘. Meine Lippen waren versiegelt für den Rest meiner Karriere, weil ich nichts sagen konnte. Jetzt geht das, da ich nicht mehr aktiv bin, aber ich wäre so respektlos gegenüber dem Klub gewesen, der mir mein Gehalt zahlte, wenn ich gesagt hätte: ‚Ganz schön hier, aber Liverpool war eigentlich meine erste Wahl‘. Manchester United wollte Alan Shearer damals, aber er ging zu Newcastle, weil es sein Klub war. Mir ging es genauso. Liverpool war mein Klub. Ich wollte zurückkehren, aber es ist nicht geschehen. Ich schiebe niemanden die Schuld zu. Es war bloß unglücklich von meiner Sicht, dass es kein Happy End gab.“

Quo vadis, Owen?

Das man keine Liebesbekundungen zu einem Verein äußert, während man bei einem Gegner in derselben Liga aktiv ist, klingt nach einem respektvollen Umgang. Doch auch jetzt zieht er mit seinen Aussagen die Missgunst der Newcastle-Fans auf sich. Jemand wie Owen, der praktisch bei den Reds aufgewachsen ist, sollte klüger sein, als sich als Klubbotschafter ebenfalls noch mit den größten Rivalen zu identifizieren. Damit überschreitet er die Grenze bei vielen Fans und seine Treuebekundungen kommen als unseriös rüber. Natürlich ist es nicht verboten, sich mit anderen Klubs zu identifizieren. Luis García, ebenfalls Teil der Liverpool Legenden, arbeitet auch als Botschafter seines ehemaligen Klubs Barcelona. Ebenso Jerzy Dudek präsentiert sich in der Öffentlichkeit als Fan der Reds und seines ehemaligen Klubs Real Madrid.

Doch anders als die Beiden, ist Owen offiziell und aktiv ein Vertreter des Liverpool FC. Wer sich mit dem Verein identifiziert, sollte sich der Rivalität mit United im Klaren sein. Mit seinen Aussagen und Verhalten wirkt er so, als scheint er sich dessen nicht bewusst zu sein oder es gekonnt zu ignorieren. Er präsentiert sich auf jeden Fall nicht souverän wenn er an einem Tag von seiner großen Liebe Liverpool FC spricht, und am nächsten Tag sich froh über seinen Wechsel zu United äußert oder in dem Kontext das „Wir“ benutzt. Dies ist ein klares Gegenargument zu seiner Einstellung als Klubbotschafter. Wüste Beleidigungen und Hetze, vor allem im Netz, hat auch Owen nicht verdient. Für uns wirken diese Tränen im Interview allerdings wie Krokodilstränen. Vielleicht wusste Rafa Benitez damals auch etwas, was kein anderer wusste und wollte Owen deshalb nicht zurück. Das sind Vermutungen…klar. Aber als LFC Botschafter wirkt er nicht authentisch und ehrlich genug, was sowohl Owen selber als auch der Verein vielleicht berücksichtigen sollten.