Mit einer enttäuschenden Niederlage endet für Liverpool der Traum der Champions League. Christian Angel schreibt sich den Frust von der Seele. 

Was hatte ich mich darauf gefreut, diesen Spielbericht zu schreiben. Darauf, noch einmal zu beschreiben, wie Jordan Henderson den Henkel-Cup in den Kiewer Nachthimmel reckt, wie sich die Fans auf der Tribüne und rund um die Welt glücklich in den Armen liegen und einen endlosen Chor von „Allez, Allez, Allez“ anstimmen, wie James Milner eine Flasche Ribena auf Ex wegzieht oder wie Jürgen Klopp zum Freudensprint ansetzt und irgendwo in Istanbul erst zum stehen kommt.

Es kam leider alles ganz anders. Der LFC hat das Champions League-Finale gegen Real Madrid mit 1:3 verloren. Schuld daran war, je nachdem, wen man fragt, Sergio Ramos, Loris Karius, unser Mangel an Alternativen von der Bank, der Schiedsrichter, das Wetter, Putin oder auch alle zusammen. Das ist aber letztlich vollkommen egal. Das Spiel ist gelaufen, wir können das Ergebnis nicht mehr ändern.

Was wir mitnehmen sollten, ist das Positive: wir als LFC-Supporter haben wieder einmal der ganzen Welt bewiesen, dass wir die wahrscheinlich besten Fans der Welt sind (die degenerierten Arschlöcher, die Morddrohungen und Ähnliches an Karius schicken, explizit außen vor gelassen), Kloppo und sein Team haben diese Saison begeisternden Fußball gezeigt und der LFC kann mit den ganz Großen des europäischen Fußballs nicht nur mithalten, sondern sie vor ernsthafte Probleme stellen.

Die Devise muss immer sein „We go again“, es geht nur nach vorne und zusammen werden wir gestärkt aus dieser traurigen Nacht hervorgehen. Dennoch komme ich meiner Chronistenpflicht nach und werfe den Blick zurück auf ein Spiel, an das ich mich eigentlich nicht mehr erinnern will.

Real Madrid – Liverpool FC (Champions League-Finale)

Aufgrund einiger Verletzungen (Matip, Oxlade-Chamberlain, Gomez etc.) stand Jürgen Klopp nicht gerade vor einer schweren Aufgabe, was die Aufstellung seines Teams anging. Die Startelf mit Karius im Tor, Trent Alexander-Arnold, Dejan Lovren, Virgil van Dijk und Andy Robertson in der Viererkette, James Milner, Jordan Henderson und Gini Wijnaldum im Mittelfeld sowie Mo Salah, Bobby Firmino und Sadio Mané in der Offensive dürfte genau niemanden überrascht haben. Die lange verletzten Emre Can und Adam Lallana schafften es in der Vorbereitung auf das Finale scheinbar, Klopp von ihrer Fitness zu überzeugen und durften auf der Bank platznehmen.

Etwas anders sah es bei Real Madrid aus. Bis zuletzt war spekuliert worden, ob Gareth Bale von Anfang an ran dürfte, oder ob Isco seinen Platz einnehmen würde. Trainer Zinedine Zidane entschied sich für die zweite Variante.

KIEV, UKRAINE – MAY 26: Real Madrid CF and Liverpool players walk onto the pitch prior to the UEFA Champions League final between Real Madrid and Liverpool on May 26, 2018 in Kiev, Ukraine. (Photo by David Ramos/Getty Images)

Vom Anstoß weg zeigten unsere Jungs, dass sie dem großen Anlass absolut gewachsen waren und kontrollierten das Spielgeschehen mit agressivem Pressing und ließen das Real-Mittelfeld um Toni Kroos und Luka Modric zunächst nicht zur Entfaltung kommen. Salah setzte in der sechsten Minute das erste Ausrufezeichen, sein Schuss wurde jedoch geblockt, kurz darauf versuchte Firmino seinen Sturmkollegen Mané zu bedienen, doch Keylor Navas im Kasten der Madrilenen war zur Stelle.

Die erste Offensivaktion des Titelverteidigers hatte nach einer Viertelstunde Cristiano Ronaldo. Sein Schuss aus halblinker Position, der knapp über die Latte streifte, sollte seine auffälligste Szene in der ganzen Partie bleiben. In der 23. Minute gab es dann eine Doppelchance für Firmino und Alexander-Arnold, doch der Brasilianer wurde geblockt und Trent fand seinen Meister einmal mehr in Navas.

Kurz darauf dann der Schock: Nach einem Zweikampf mit Sergio Ramos (auf die Diskussion, ob es Absicht oder pure Absicht war, will ich mich jetzt nicht einlassen) blieb Mo Salah verletzt liegen. In Wrestling-Manier hatte Ramos unseren Ägpyter so zu Boden gezogen, dass dieser voll auf seine Schulter gefallen war. Salah versuchte zunächst, weiterzumachen, in der 30. Minute musste er den Platz aber unter Tränen verlassen. Er wurde durch Adam Lallana ersetzt.

Unsere Mannschaft wirkte sichtlich geschockt und gab das Heft nun zunehmends aus der Hand. Real musste zwar in der 37. Minute ebenfalls verletzungsbedingt wechseln, der Ausfall von Carvajal, der durch Nacho ersetzt wurde, wog aber ungleich weniger schwer. Kurz vor der Pause lag der Ball dann erstmals im Liverpooler Netz. Einen Kopfball von Ronaldo konnte Karius abwehren, beim Nachschuss von Benzema war er machtlos. Sekunden später die Erleichterung – der Franzose befand sich im Abseits, der Treffer zählte nicht. Nach einer weiteren Real-Chance durch Nacho, der das Außennetz traf, ging es torlos in die Pause.

Konnten sich die Reds zusammenreißen und im zweiten Durchgang auch ohne ihren Superstar den Sieg erzwingen? Die Antwort gab zunächst Loris Karius, der sich in der 51. Minute einen folgenschweren Blackout leistete. Nachdem unser Keeper einen langen Pass aus dem Mittelfeld sicher abgefangen hatte, wollte er den Ball schnellstmöglich zurück ins Spiel bringen. Unglücklicherweise stellte Benzema seinen Fuß dazwischen und lenkte den Abwurf ins Tor des LFC – das 1:0 für die Königlichen.

Unsere Jungs steckten jetzt aber keineswegs den Kopf in den Sand. Nur vier Minuten später gab es Eckball für die Reds, Lovren verlängerte in den Fünfmeterraum und Mané war mit der Fußspitze zur Stelle – der Ausgleich.

KIEV, UKRAINE – MAY 26: Sadio Mane of Liverpool celebrates with teammates after scoring his sides first goal during the UEFA Champions League Final between Real Madrid and Liverpool at NSC Olimpiyskiy Stadium on May 26, 2018 in Kiev, Ukraine. (Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

Real-Coach Zidane brachte in der 61. Minute Gareth Bale für Isco und dieser Wechsel sollte sich nur drei Minuten später bezahlt machen. Nach Flanke von Marcelo stellte sich der Walisische 100-Millionen-Mann waagerecht in die Luft und knallte das Leder per Fallrückzieher zum 2:1 für Real in die Maschen. Diesmal war Karius absolut chancenlos und ich muss ehrlich sagen: ein schöneres Tor habe ich in einem Champions League-Finale mindestens seit 2002 nicht gesehen.

Die beste Chance zum erneuten Ausgleich hatte abermals Mané, der in der 70. Minute mit einem Flachschuss aus 20 Metern den linken Pfosten traf. Auch Real hatte Gelegenheiten, insbesondere in der 74. Minute, als Ronaldo alleine durch war, doch in allerletzter Sekunde war Andy Robertson mit einem Weltklassetackling zur Stelle und nahm ihm den Ball vom Fuß. In der 82. Minute konnte Karius sich dann auszeichnen, als er einen Volleyschuss von Benzema stark parieren konnte.

Nur 60 Sekunden später leistete sich unser Keeper dann aber den nächsten und damit spielentscheidenden Fauxpas. Bale zog aus 25 Metern ab, der Ball flatterte leicht, kam aber genau auf unseren Keeper. Der konnte ihn jedoch nicht festhalten oder wegfausten, sondern schlug ihn sich ins eigene Tor. Die wohl bitterste Stunde seiner Karriere war damit perfekt.

In der Schlussphase ließ sich Real die Butter nicht mehr vom Brot nehmen, Klasse bewiesen aber unsere Fans im Stadion, die eine unglaublich starke Version von „You’ll Never Walk Alone“ darboten, die zu großen Teilen dem armen Teufel im Liverpooler Kasten gewidmet war.

Karius bot nach dem Schlusspfiff ein Bild des Elends und entschuldigte sich tränenreich bei den mitgereisten Supportern, die durch die Bank ein gutes Gespür bewiesen und versuchten, ihn aufzumuntern. Auch der Rest der Truppe war am Boden zerstört und das Wort „devastated“ war das wohl meistgenutzte in den zahlreichen Interviews nach dem Spiel.

KIEV, UKRAINE – MAY 26: Loris Karius of Liverpool breaks down in tears after defeat in the UEFA Champions League final between Real Madrid and Liverpool on May 26, 2018 in Kiev, Ukraine. (Photo by Laurence Griffiths/Getty Images)

Während Real den dritten Sieg in der Königsklasse in Folge bejubelte schlichen unsere Jungs wie kleine Häufchen Elend mit hängenden Köpfen in die Katakomben.

Last Words:

Zum Abschluss möchte ich noch einmal auf die Idioten zu sprechen kommen, die in den sozialen Netzwerken Dinge wie „You walk alone“ (im harmlosen Fall) oder Morddrohungen (im Extremfall) in die Richtung von Loris Karius schicken. Ihr seid nicht Fans dieses Vereins und habt seine Geschichte und alles, wofür er steht nicht im Ansatz verstanden. Sucht euch bitte einen anderen Club. Es ist legitim, die Torwartfrage zu stellen und ich gehe davon aus, dass die Verantwortlichen sich im Sommer ihre Gedanken machen werden, ob Karius nach diesem Spiel noch eine Zukunft als Nummer eins der Reds hat. Es ist andererseits aber hochgradig asozial, wenn sich sogenannte „Fans“ des LFC hinstellen und einem Spieler, der sein Bestes versucht hat, die Pest an den Hals wünschen. Schämt euch.

An den Rest da draußen: Wir kommen wieder und greifen ab August wieder an. Wäre doch gelacht, wenn das schon der Höhepunkt für dieses unglaubliche Team gewesen sein soll.

Real Madrid – Liverpool FC 3:1 (0:0)

Olympiastadion Kiew
Zuschauer: 61.561

Tore:

1:0 Karim Benzema (51.)
1:1 Sadio Mané (55., Lovren)
2:1 Gareth Bale (64., Marcelo)
3:1 Gareth Bale (83., Marcelo)

LFC: Karius – Alexander-Arnold, Lovren, van Dijk, Robertson – Henderson, Milner (83. Can), Wijnaldum – Salah (31. Lallana), Firmino, Mané