Die böse Vorahnung, dass die Reds wieder mal ihr Talent zeigen werden, komfortable Führungen in Nervenkriege zu verwandeln, hat sich abermals bestätigt. Die 2:4 Niederlage im Stadio Olimpico war bis zum letzten Kick nervenaufreibend und es bestand durchaus die Gefahr, das Finale doch noch zu verpassen. Im Nachhinein können jetzt alle Liverpool-Supporter stolz sagen: Wir sind im 10. Finale des Europapokals der Landesmeister/Champions League in der Geschichte des LFC – hier wird Geschichte geschrieben. Wäre es nicht langweilig gewesen, mit einem ruhigen und souveränen 3:0 durchzukommen? Eben. Souverän kann jeder, der Liverpool-Way ist in einem CL-Halbfinale einen neuen Torrekord aufzustellen und mit 7:6 durchzukommen.

AS Roma – Liverpool FC 4:2 (1:2)

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In Kloppo’s Team gab es keine Überraschungen, was auch aufgrund der Verletzungen im Kader ziemlich schwierig zu bewerkstelligen gewesen wäre. Im Vergleich zum Stoke-Spiel, als mehrere Stammspieler geschont wurden oder noch verletzt waren, änderte Klopp die Mannschaft auf vier Positionen, was auch zu 100 Prozent erwartet wurde – Moreno, Klavan, Gomez und Ings wurden durch Robertson, Lovren, Alexander Arnold und Mané ersetzt. Im Vergleich zum Hinspiel wurde nur Chamberlain verletzungsbedingt durch Wijnaldum vertreten.

Spielverlauf:

Die AS Roma kam von Beginn an mit viel Druck aus der Kabine, was auch ihre einzige Chance war. Nach einem Dzeko-Kopfball in der ersten Minute Richtung Liverpool-Tor war aber von der Roma-Offensive nicht viel zu sehen und der Start in das Spiel hätte für die Reds nach einem katastrophalen Nainggolan-Rückpass nicht besser sein können. Firmino konnte den Ball einfach erobern, sprintete ein paar Meter und spielte einen Steilpass Richtung Mané, der völlig frei vor Alisson war und nur noch einschieben musste. Jetzt brauchte die Roma vier Tore und das sollte es doch gewesen sein? Nicht mit dem LFC.

Nach einer Roma-Flanke von der rechten Seite konnte Lovren den Ball anscheinend klären, jedoch kam sein Befreiungsschlag nur wenige Meter weit, bis er am Kopf des Ahnungslosen Milners landete und von dort aus hinter Karius im Netz. Dieses Eigentor Milners ist die Definition von Slapstick und sollte von nun an in Wörterbüchern als Synonym für Slapstick verewigt werden. Das Spiel begann wieder von neuem – Roma brauchte wieder drei Tore. Die wilde Fahrt ging weiter.

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Die Roma hatte in dieser Phase mehr Ballbesitz als die Reds, was auch nicht weiter verwunderlich war. Der Plan Klopps war es von Anfang an, auf Konter zu lauern und mit blitzschnellen Überfällen das Spiel zu begraben. In der 26. Minute schien das der Fall gewesen zu sein, als Wijnaldum per Kopfball sein erstes Auswärtstor erzielte, seitdem er in England spielt. Sobald der Ball die Torlinie überquerte, stellte sich die Frage nach Abseits, jedoch wurde der Ball vom Roma-Stürmer Dzeko genau in die Laufrichtung Wijnaldums geköpft, was das Abseits aufhob. Die von vielen bisher als Ketzerei angesehene Möglichkeit, Wijnaldum könnte wirklich mal ein Auswärtstor schiessen, wurden von den Jubelschreien des travelling Kops aufgeweckt. Das muss es doch gewesen sein, oder? Die Roma brauchte jetzt nochmals vier Tore. Doch wer während der Halbzeit in der Toilette beim wasserlösen schon ein ungutes Gefühl im Urin hatte, wurde nicht enttäuscht.

Sechs Minuten nach der Halbzeit unterlief Alexander Arnold einen Pass auf seiner rechten Abwehrseite, El Shaarawy war durch, Karius konnte aber noch retten – gegen den Nachschuss Dzekos hatte er aber keine Chance. 2:2. Naja, was solls, dann machen Salah, Mane und Firmino noch je 2 Tore und alles ist Gut? Pustekuchen.

Nainggolan machte seinen Fehler beim 0:1 in der 86. Minute wieder gut und hämmerte den Ball aus etwa 25 Metern ins linke untere Eck – Karius konnte nur zusehen. Langsam wurde auch der letzte Liverpool-Supporter hysterisch und es sollte noch schlimmer kommen. Es war wiederum Nainggolan, der in der letzten Minute der Nachspielzeit einen ungerechtfertigten Elfmeter nach einem Handspiel von Klavan verwandelte. Generell gab es in diesem Spiel auf beiden Seiten einige grobe Fehlentscheidigungen, die sich aber wohl über hin und Rückspiel in der Balance halten. Glücklicherweise dauerte das Spiel nach Wiederanpfiff nur noch einige Sekunden – mehr hätte zu einigen Herzstillständen geführt – und die Reds stehen im Champions League-Finale. Ich wiederhohle: Der Liverpool FC steht im Champions League Finale! Wann konnten das LFC-Supporter das letzte mal behaupten? Das war 2007, als der AC Mailand sich an uns für Istanbul rächte.

Nach dem Schlusspfiff gab es noch eine sehr schöne Szene, als die Liverpool-Spieler einen Banner zur Unterstützung des schwer verletzten Sean Cox dem travelling Kop (der wieder mal mit 5’000 Supportern ordentlich Lärm machte) präsentierte. Möge sich Sean möglichst schnell erholen. Falls Liverpool am 26. Mai den 6. Henkelpott an die Mersey holt, ist er definitiv auch an Sean gewidmet.

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Einschätzungen:

Wen interessiert es schon, wie der LFC ins Finale kam? Es zählt nur, dass es passierte! Unter Klopp gehört Liverpool wieder zur europäischen Spitze – in den beiden Saisons, in denen der LFC unter ihm europäisch vertreten war, wurde beide Male das Finale erreicht.

Nach dem Spiel meinte Klopp in der Pressekonferenz:

«Das war das erste Mal, dass wir nicht so gut waren, wie wir sein könnten, also brauchten wir Glück und das hatten wir auch. Über die gesamte CL-Saison war es aber verdient».

Klopp meinte sehr wahrscheinlich die Szene, als Alexander Arnold den Ball auf kurzer Distanz mit der Hand abwehrte – als auch LFC-Supporter muss man zugeben, dass das ein Strafstoss gewesen wäre. Wie aber bereits erwähnt hätte auch der LFC einen Elfmeter erhalten müssen. Hätte, hätte, Fahrradkette.

In der restlichen Premier League Saison geht es nun darum, die Top 4 definitiv zu sichern, um nur noch auf das CL-Finale schauen zu können. Diese Chance ergibt sich schon kommenden Sonntag gegen Chelsea – ein Sieg an der Bridge und auch nächste Saison ertönt in Anfield wieder die CL-Hymne.

Alle Wege führen nach Kiew, wo uns die nächste und allesentscheidende Schlacht gegen Real Madrid erwartet. Die Geschichtsbücher sind offen und müssen nur noch mit Heldentaten gefüllt werden.

AS Roma – Liverpool FC 4:2 (6:7 nach beiden Spielen)

Aufstellung: Karius – Alexander Arnold (90. Clyne), Lovren, VVD, Robertson – Milner, Wijnaldum, Henderson – Salah, Mane (83. Klavan), Firmino (87. Solanke)

Schiedsrichter:
Damir Skomina

Nächstes Spiel:
Chelsea – Liverpool
Sonntag, 6. Mai 2018, 17:30

Von Robin Wittwer